15.03.2018
Merkels Opfer – ein Blick auf ihren ganz persönlichen Friedhof
Folge 01
Angela Merkel bleibt Kanzlerin bis zum Jahr 16 Anno Domina. Ihr Aufstieg begann schon 1989, als sie Erich Honecker das vollste Vertrauen aussprach. Eine Woche später war er weg. Es folgten Kohl, Merz, Stoiber und die ganze SPD. In der Politik muss man Opfer bringen!
Autor: TILMAN LUCKE
Ein Blick auf unsere eher instabil regierten europäischen Nachbarn zeigt: Wir Deutsche können froh sein, dass wir in den nächsten dreißig Jahren demokratisch von Frau Merkel regiert werden. Wo wurde nicht alles gewählt in den letzten Monaten: Die Holländer haben gewählt, die Franzosen haben Holland abgewählt, die Katalanen haben Spanisch abgewählt, die Türken haben die Demokratie abgewählt, und Österreich ist zu Kurz gekommen. Alles relativ flott. Im Vergleich dazu war die Bundestagswahl eher der BER unter den Wahlen. Das absurde Theaterstück, das seit September en suite unter dem Titel „Warten auf GroKo“ aufgeführt wurde, ist nun zu Ende, und die oberste Sozialdemokratin hat’s geschafft: Frau Merkel geht in die Verlängerung und wird bis mindestens 2021 regieren, also bis zum Jahr 16 Anno Domina. Schon nach zwölf Jahren Schluss machen ging nicht, wegen Hitler. Der war ja auch zwölf Jahre dran. Und seitdem ist das verboten.
Wie konnte Angela Merkel überhaupt an die Spitze kommen, diese kleine Raute Nimmersatt? Ihr unaufhaltsamer Aufstieg begann 1954, damals wurde sie in Hamburg geboren. Wie Millionen Deutsche in den fünfziger Jahren machte sie später rüber – leider hatte ihr Vater im Navi die falsche Richtung eingegeben. Hätte Vati mal Mutti an den Rautenplaner gelassen! Somit stand für sie eine Kindheit in der DDR an, die schnell zusammengefasst ist: wenig Obst, viel Schnaps und immer FKK. Schon als FDJlerin sprach sie Erich Honecker im Oktober 1989 das „vollste Vertrauen“ aus. Eine Woche später war er weg. Den Mauerfall am 9. November erlebte sie dann in der Sauna. An dem Abend schwitzte sie also fast so sehr wie Günter Schabowski.
Ihr Aufstieg nach der Wende lässt sich am besten anhand eines Friedhofs erklären. Denn es heißt ja immer: In der Politik muss man Opfer bringen. Und Frau Merkel hat wirklich viele geopfert. Unter Angela Merkel hat die Politik in Deutschland mehr Männer verloren als die Bundeswehr in Afghanistan. Helmut Kohl beispielsweise sägte sie als ersten ab – denn sie wusste damals schon, was sich bei seiner Beerdigung jüngstens wieder bewahrheitet hat: Der Mann war einfach nicht tragbar.
Als Nächsten schickte sie Friedrich Merz in den April. Das war der Typ, dessen Gehirn auf einen Bierdeckel passte. Ebenfalls auf dem Friedhof zu liegen kam Edmund Stoiber, dem sie 2002 die Kanzlerkandidatur überlassen hatte, damit er verlöre und sie die Wahl vier Jahre später, 2005, gewinnen konnte. Sie war extra für das berühmte Wolfratshausener Frühstück zu ihm nach Hause gefahren, um ihm Honig ums Maul zu schmieren und sich scheinbar die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Problembär Stoiber wurde nach der verlorenen Wahl nach Brüssel abgeschoben, ins Paragrafendschungelcamp, wo er vermutlich noch immer die EU-Verordnungen der letzten Jahrhunderte durchstoibert.
Unter der Trauerweide liegt das Herzstück des Friedhofs, das bekanntlich links schlägt: Hier finden wir den SPD-Bereich. Dort wurden alle Kanzlerkandidaten der SPD tiefergelegt: Schröder, Steinmeier, Steinbrück, Schulz. Wenn die SPD-Leichen immer mit S anfangen müssen, kann sich Olaf Scholz schon mal für 2021 als Leiche warmlaufen. Viele sagen ja, die erneute Regierungsbeteiligung wird politischer Selbstmord. Heißt ja: Groko Haram.
Am anderen Ende des Friedhofs kam sogar eine gesamte Fraktion zu liegen, nämlich die FDP-Fraktion von 2013. Obwohl einige Gräber seit September wieder offen sind. Nur Rainer Brüderle liegt noch da, weil er damals endgültig abgesoffen war. Auf dem Komposthaufen in der Mitte des merkelschen Karrierefriedhofs ist schon Platz für die Grünen, die noch auf ihre Beerdigung warten.
Wir sehen: Angela Merkel beherrscht nicht nur Deutschland, sondern auch ihr Handwerk. Schon damals im Physikstudium war sie Klassenbeste. Thema ihrer Doktorarbeit: die Geschwindigkeit von Zerfallsprozessen. So gesehen, ist ihr riesiger Politfriedhof vor allem eines: angewandte Physik.
Tilman Lucke & Martin Valenske sind gemeinsam zu sehen in: "frisch gepresst. Politcomedy-Late-Night", "Zwei Päpste für ein Halleluja"; Tilman Lucke in seinem Soloprogramm "Ich bin das Volk" und Martin Valenske außerdem in "Wir haben genug".