30.03.2020

No. 101

Neues vom kleinen Mann

#Putin #Russland #Verfassung #Verfassungsreform #Demokratie #Ukraine #AfD

Unsere aktuelle Kolumne handelt zur Abwechslung einmal nicht vom Coronavirus. Schließlich gehen auch die pessimistischsten Prognosen davon aus, dass diese Krise irgendwann beendet sein wird. Spätestens, wenn die Bevölkerung eine ausreichende Herdenimunität aufgebaut hat. Hoffentlich funktioniert die besser als die berühmte Herdenintelligenz. Wir kümmern uns diese Woche jedenfalls endlich wieder um den kleinen Mann: Wladimir Putin.

 

Vor knapp drei Wochen hat das Unterhaus im russischen Parlament einer Verfassungsreform zugestimmt, die Putin zu zwei zusätzlichen Amtszeiten verhelfen könnte. Die Begründung ist durchaus originell. Da die Befugnisse des Präsidentenamtes erweitert werden, handelt es sich jetzt quasi um ein neues Amt. Daher darf Putin sich um dieses neue Amt auch bewerben. Das ist ungefähr so, als würde durch eine Erweiterung der Speisekammer der verdorbene Schweinebauch wieder genießbar. Apropos Gammelfleisch: Gerhard Schröder, der Putin einst als »lupenreinen Demokraten« bezeichnete, hat auch zu diesem Husarenstück wieder geflissentlich geschwiegen. Statt dessen bastelt der alte Macho mit seinem Busenfreund Putin weiter an der Pipeline Nord Stream 2. Getreu dem Motto: »Ich muss hier mal ein Rohr verlegen.«

Wladimir Putin kümmert sich stets liebevoll um Demokratie und Verfassung. Und das nicht nur in Russland. Seine Anteilnahme beschränkt sich auch nicht nur auf Wahlbeeinflussungen in den USA oder Europa. Russlands gelenkte Demokratie, die sich immer stärker als Gegenmodell zum liberalen Westen präsentiert, macht Russland seit geraumer Zeit auch in ganz Europa attraktiv für rechte, rechtspopulistische und offen rechtsextreme Strömungen, wobei diese Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht. Parteien wie z.B. die italienische Liga Nord, die österreichische FPÖ oder die deutsche AfD wurden und werden regelmäßig nach Russland zu Treffen mit der russischen Regierung oder Putins Partei »Einiges Russland« eingeladen. Und die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen bekam von der Bank eines Putin-Getreuen einen Kredit in Höhe von bis zu 40 Millionen Euro für den französischen Wahlkampf 2017. 40 Millionen Euro sind sehr viel Geld! Das reicht sogar in Paris für ein Monatsmiete.

Darüber hinaus finanziert Russland in Europa direkt und indirekt mehrere Think Tanks, in der Ukraine sogar richtige Tanks. So etwa das in München ansässige »Zentrum für Kontinentale Zusammenarbeit«. Dieses Zentrum fabuliert in derselben Sprache wie die NPD u.a. über einen bevorstehenden Bevölkerungsaustausch in Europa. Die offizielle Abkürzung dieses mittlerweile umbenannten Zentrums lautete übrigens ZKZ. Und da stellt sich doch die Frage: Würden Sie einem Think Tank vertrauen, der im Namen die Abkürzungen ZK und KZ hat?

Die Zuneigung zwischen Putin und der europäischen Rechten geht aber noch weiter. Nach der Annexion der Krim ließ Putin die dortige Bevölkerung über die Annexion in einer Wahl abstimmen. Als Wahlbeobachter*innen hat er aber nicht etwa die OECD eingeladen, sondern Abgeordnete rechtspopulistischer Parteien. Witzig, oder? Rechtsextreme und Rechtspopulist*innen, die selber allesamt irgendwelchen im Laufe der Zeit verlorenen Gebieten nachtrauern, sollten die Rechtsstaatlichkeit einer Annexion überwachen. Genau so gut könnten fünf Löwen und ein Zebra darüber abstimmen, was es zum Mittagessen gibt. Und ein Haifisch macht die Wahlbeobachtung.

 

Text: Martin Valenske