13.07.2020
No. 116
Halbjahresrückblick 2020
Teil B
AKK geht – doch niemals geht man so ganz; die FDP fällt um und schließlich raus, und Donald Trump schließt Frieden mit den Taliban – an einem Tag, den es eigentlich gar nicht gibt. Der Februar lässt sich nicht lumpen. Letzte nostalgische Blicke auf die Verrücktheiten der Vor-Corona-Zeit 2020.
6. Februar: Der wichtigste deutschsprachige Preis, der Sankt-Georg-Orden der Dresdener Semperoper, geht nach langer Diskussion doch nicht an den ägyptischen Diktator Al-Sisi. Ausschlaggebend war der Protest von Prominenten, vor allem von Peter Maffay. Kleine Ursache, große Wirkung! Gerüchten zufolge soll Alexander Gauland jetzt doch nicht die Fashion Week in Berlin eröffnen, so entschied ein kurzfristig einberufener Peter Maffay. Die Semperoper findet allerdings einen würdigen Ersatz-Preisträger, der mit zweifelhafter demokratischer Legitimation an die Macht kam: Thomas Kemmerich, seit dem Vortag Ministerpräsident von Höckes Gnaden.
8. Februar: Armin Laschet, eben noch Kämpfer gegen die Großmutter-Satire im WDR, nimmt in Aachen den Orden wider den tierischen Ernst an. Das ist wohl seine Form von Humor.
9. Februar: Die niederländische Gegenwind-Radfahr-Meisterschaft wird abgeblasen. Grund: Sturmtief „Sabine".
10. Februar: Annegret Kramp-Karrenbauer verzichtet auf die Kanzlerkandidatur. Wenige Minuten später heißt es, sie verzichte auch auf den CDU-Vorsitz. Kurz darauf tönt, sie warte damit noch bis zum Ende des Jahres, dann wiederum, sie wolle eine vorgezogene Vorstandswahl im Sommer, dann wieder Ende des Jahres, aber sie sage nicht, welches Jahres. Nach ihrer zehnminütigen Rede ist laut FAZ „nicht einmal mehr klar, wer wann wozu gewählt werden soll". Wochen später kündigt sie einen Sonderparteitag für April an, der wegen Corona gleich darauf kassiert wird. Vielleicht bleibt die Weltmeisterin im Wachkoma dank Corona einfach still und leise neben der Bundeskanzlerin noch weitere 16 Jahre unauffällig im Amt. Man müsste ihr lediglich Rednerpultverbot geben, dann würde es keiner bemerken. Selbst an der einfachsten Tätigkeit im Leben eines Politikers, nämlich dem Rücktritt, zu scheitern, ist große Staatskunst. Wäre Uwe Barschel so langsam zurückgetreten wie AKK, wäre die Badewanne heute noch nicht voll.
11. Februar: Immer mehr Schwaben werden aus Berlin vertrieben. Nachdem es Trainer Jürgen Klinsmann nicht gelungen war, Hertha BSC zu gentrifizieren, verlässt er die Stadt und kauft sich eine andere.
15. Februar: Youtube wird 15 Jahre alt. Damit ist die Plattitüdenplattform genau einen Tag älter als das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz und hat somit die älteren Rechte. Pro Tag glotzt die Welt über eine Milliarde Stunden Videos auf Youtube, und jede Minute kommen 500 Stunden Videomaterial hinzu. Dadurch werden dem Klima zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zugeführt, so viel wie der Verbrauch von Luxemburg. Laut offiziellen Statistiken besteht Youtube übrigens aus 90 Prozent Katzenvideos, fünf Prozent Softpornos, vier Prozent Tutorials und einem Prozent Enthauptungen. Das ideale Youtube-Video wäre also: Eine Katze erklärt, wie man einen nackten Dschihadisten enthauptet.
17. Februar: Die amerikanischen Boy Scouts melden Insolvenz an. Zu viel hatten die Pfadfinder für die Schadensersatzforderungen wegen systematischen sexuellen Missbrauchs an Kindern zahlen müssen. Die katholische Kirche atmet auf: Dem Dagobert Duck unter den Weltreligionen droht Hochrechnungen zufolge bei gleichbleibendem Kinderverschleiß erst im Jahr 2140 dasselbe Schicksal. Die moralische Insolvenz nicht eingerechnet.
23. Februar: Die FDP mobilisiert bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg 4,97 Prozent – 212 Wähler zu wenig, um in die Bürgerschaft einzuziehen. Die Ursache: Zwei Wochen zuvor hatte sich Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt. Dessen Politsekte hatte im Herbst genau 73 Stimmen über der Fünfprozenthürde gelegen. Kein Problem für den Harry Hürdini der Politik! Hamburgs FDP-Wähler fanden das allerdings nur so mittel. Wäre die Partei in Thüringen gescheitert, hätte sie in Hamburg die Hürde genommen.
29. Februar: Die US-Regierung verkündet ein Friedensabkommen mit den Taliban, das in den Monaten zuvor unter strengster Geheimhaltung verhandelt worden war. Beobachter staunen: Erstmals stellt eine außenpolitische Aktion von Donald Trump weder eine Kriegserklärung an den gesunden Menschenverstand noch eine vollständige moralische Katastrophe dar. Einen Tag später wird klar: Die afghanische Regierung war gar nicht beteiligt. Zudem rivalisieren seit der Präsidentschaftswahl 2019 zwei selbsternannte Wahlsieger um den Chefposten der Regierung. Es gab bei den Verhandlungen also sogar zwei leere Plätze. Nicht umsonst wurde der Trump-Deal am 29. Februar geschlossen – den Tag gibt es ja eigentlich gar nicht.
Text: Tilman Lucke