29.07.2020

No. 118

Halbjahresrückblick 2020

Teil C

 

Gefälschte Ariernachweise, beißender Spott für einen Bürgermeister und ein Überlebenskünstler, der ausnahmsweise mal nicht überlebt: Kurioses abseits von Corona aus den Monaten März und April 2020.

 

4. März: Silvio Berlusconi – das war der irre Medienmilliardär an der Staatsspitze, über den wir lachten, als wir Donald Trump noch nicht kannten – ist als Alterspräsident des Europaparlaments zwar in Teilen bereits 83 Jahre alt, sorgt aber durch Mumifizierung bereits zu Lebzeiten für einen gebremsten Alterungsprozess. Nun verjüngt er sich erneut, allerdings nicht durch eine Operation, sondern durch Trennung von seiner 34jährigen Freundin. Die Neue ist 30 Jahre alt, also mindestens haltbar bis 2024. Michael Wendler gefällt das!

5. März: Erstmals gelingt der Nachweis, dass Plastik verdaut werden kann (wer schon einmal im Flugzeug ein Sandwich konsumiert hat, ahnte es): Im Pazifischen Ozean wird ein neur Flohkrebs entdeckt. Nach seinem Mageninhalt nennen ihn die Forscher „Eurythenes plasticus“, Spitzname „Berlusconi der Meere“. Plastik in Tieren – wen wundert’s, denn PET bedeutet ja „Tier“.

10. März: Die Queen regiert bald 70 Jahre, aber ein anderer Staatschef denkt da langfristiger: Wladimir Putin. Statt ab 2024 wieder seinen Präsidentensidekick Dmitri Medwedew einzuwechseln, strebt er den Umweg über einen neugeschaffenen Staatsrat an, dessen Vorsitz er bis zur übernächsten Präsidentschaftswahl ausfüllen will. Und so rief er im Januar dem Parlament zu: Mach Duma! Am 10. März tritt spontan die erste Kosmonautin Walentina Tereschkowa ans Rednerpult und schlägt stattdessen die Aufhebung der Beschränkung für Präsidentenamtszeiten an. Riesiger Beifall aller Abgeordneten sowie Akklamation für die Verfassungsänderung. Noch zufälliger spaziert der Präsident just in diesem Moment am Parlamentsgebäude vorbei und denkt sich: Ich könnte doch mal bei meiner Freundin, der Kosmonautin, vorbeischweben! Er nimmt den Hintereingang, der direkt ans Rednerpult führt, das wie durch Zufall gerade frei ist, und hält eine kurze Stegreifrede, in der er sich überrascht für das große Vertrauen bedankt. Unbeabsichtigter kann man nicht Staatschef auf Lebenszeit werden. Berechnungen zufolge können die 1,40 Meter geballtes Testosteron nun bis ans Lebensende Präsident bleiben. Danach wird einfach vom Lenin-Mausoleum aus weiterregiert.

20. März: In Frankreich gilt eine landesweite Corona-Ausgangssperre. Einige Obdachlose halten sich nicht daran und erhalten Bußgelder. Ein paar können nicht bezahlen und müssen zur Überbrückung eine Hypothek auf ihre Brücke aufnehmen.

24. März: Die Bundeswehr verliert mitten in der Corona-Pandemie sechs Millionen Schutzmasken in Kenia. Der Krieg um Medizinmaterial tobt im Frühjahr weltweit: Auf dem Flughafen in Bangkok will beispielsweise der Berliner Senat mehrere Hunderttausend Masken in Empfang nehmen. Doch die USA schnappen sie den verdutzten Berlinern „vor der Nase“ weg. Übrig bleibt Schaum vorm Mund. Israels Geheimdienst Mossad „beschafft“ im März laut Meldungen 100 000 Corona-Tests aus einem „nicht befreundeten“ Staat. Wozu hat man sich schließlich in den letzten Jahrzehnten so viele Nichtfreunde erarbeitet, wenn sie einem in der Krise nicht auch mal aushelfen können?

1. April: Der einzige Tag, an dem Rüdiger Nehberg, Überlebenskünstler mit dem Spitznamen „Sir Vival“, seinen Beruf nicht ausübt und mal nicht überlebt.

1. April: Auf einer Online-Pressekonferenz der Bundesregierung ist das WLAN so schlecht, dass man schon vom Verursacherprinzip sprechen kann. Angela Merkel hält ihr Statement mit gewohnter Verve – leider zum Weg-Verven: Als sie merkt, dass inhaltlich nichts rüberkam – also alles wie immer –, fällt sie dem sichtlich genervten Markus Söder ins Wort: „Ich muss das leider noch mal losleiern.“ Merken wir uns diesen Satz, mit ihm könnte 2022 die Regierungserklärung ihrer fünften Amtszeit beginnen. Und ihren politischen Lebenslauf vollständig wiedergeben.

2. April: Die Stadt Shenzen verbietet wegen der Corona-Pandemie das Schlachten von Hunden und Katzen. Damit ist Shenzen die erste chinesische Stadt, in der Tiere besser behandelt werden als Oppositionelle. Soll aber eine Ausnahme bleiben.

15. April: Obwohl Nordkorea zu den wenigen Ländern der Welt ohne Corona-Fälle gehört, praktiziert Diktator Kim Jong-un vorbildliches Social Distancing: Er schwänzt den Geburtstag seines Großvaters. Vorbildliche Rücksicht auf die Alten, schließlich ist Opa Kim bereits 108 Jahre alt und seit 26 Jahren tot. Wenige Tage später kursiert das Gerücht um eine Herzoperation des koreanischen Obergewichts – doch Entwarnung. Mangels Herz.

21. April: Álex Pastor, Bürgermeister der spanischen Großstadt Badalona, wird alkoholisiert beim Bruch der Corona-Ausgangssperre ertappt und beißt den zuständigen Polizisten. Der hatte ihm offenbar auf den Zahn fühlen wollen. Damit ist die Sache leider nicht gegessen: Der Bürgerbeißter muss am folgenden Tag zurücktreten. Zahn-basta.

22. April: Berlin ordnet für den Nahverkehr eine Maskenpflicht an, allerdings verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, auf Strafen bei Nichteinhaltung werde vorerst verzichtet. Somit gilt für das Tragen von Masken in der S-Bahn dieselbe Verbindlichkeit wie für Fahrkarten, Kleidung und Anstand. Eine höhere Maskenquote hätte der Senat erreicht, wenn er ausdrücklich vom Maskentragen abgeraten hätte.

26. April: Christian Lüth, Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, fliegt mit einem Enkeltrick auf: Er hatte fälschlich behauptet, der Enkel des NS-U-Boot-Kommandeurs Wolfgang Lüth zu sein. Wegen des gefakten Ariernachweises ist seine Arbeit für die AfD nun beendet.

 

 Text: Tilman Lucke