13.08.2020

No. 120

Halbjahresrückblick 2020

Teil D

 

Tegels Dauer-Tower schließt doch nicht, in der Bundeswehr ist nicht alles koscher, und die blutleere SPD will nicht mit Blutspenden am Leben erhalten werden: Der Mai 2020 hatte es in sich!

 

1. Mai: Tag der Kurzarbeit.

3. Mai: Schön, sich trotz Pandemie über die kleinen Konstanten zu freuen: Die geplante Schließung des Flughafens Tegel – verzögert sich. Und das, obwohl der Altberliner Archäologentraum, auf dem schon Ikarus persönlich Flugstunden nahm, seit März so gut wie leer steht. Berlin – stell dir vor, es geht, und keiner kriegt’s hin!

4. Mai: Sig nicht mehr heil: Der Waffenkonzern SIG Sauer meldet Insolvenz an. Als Waffenhersteller inmitten einer von Bürgerkriegen überzogenen Welt Pleite zu gehen, gilt als gehobene Finanzkunst. Hoffentlich kann sich Vorstandschef Ron Cohen wenigstens noch eine Kugel geben.

4. Mai: Das iranische Parlament stimmt für die Streichung von zehn Nullen. Leider nur in der Währung.

5. Mai: Die finnische Regierung veröffentlicht den Bericht über einen Modellversuch zum bedingungslosen Grundeinkommen: 2017 und 2018 wurden zweitausend Arbeitslose zufällig ausgewählt, die monatlich jeweils 560 Euro erhielten. Bedingungslos. Außer dass sie arbeitslos sein mussten. Und es gab natürlich noch Wohngeld drauf, klar. Eine Studie ist ja dann besonders aussagekräftig, wenn ein Studienobjekt zwei Eigenschaften haben soll („bedingungslos“ und „Grundeinkommen“) und beide nicht hat (weil es nicht für alle gilt und weil noch ein zusätzlicher Geldbetrag fließt). Ergebnis des 20 Millionen Euro teuren Testlaufs: Die Gruppe, die das Geld bekam, war glücklicher als eine Kontrollgruppe, die keines bekam. Da sage noch einer, die Wissenschaft habe zu wenig Einfluss auf die Politik! Der sensationelle Erkenntnisgewinn dieses Versuchs liegt nur knapp über demjenigen von Andreas Scheuer, der kürzlich eine Studie durchführte, indem er das Fenster in seinem Ministerbüro öffnete und probeweise 560 Millionen Euro hinauswarf, um zu testen, ob das Geld auch wirklich weg ist.

11. Mai: Twitter kündigt an, ausgewählte Tweets künftig einem Faktencheck zu unterziehen. Seit kurzem widersprechen Fake News den Nutzungsbedingungen der Plattform. Über Twitter dürfen lediglich Rassismus und Dummheit verbreitet werden.

24. Mai: Annalena Baerbock erfindet bei Anne Will das schöne Wort „SteuerInnenzahlerbund“ und macht damit dankenswerterweise auf die Steuer Pay Gap aufmerksam.

27. Mai: Im Bundestag wird das Blutspendeverbot für Schwule erörtert: Männliche Homosexuelle sind seit drei Jahren zur Blutspende zugelassen, wenn sie zuvor ein Jahr lang enthaltsam leben; damit wird man leichter Priester als Blutspender. Die Opposition verlangt, diese Diskriminierung aus dem Transfusionsgesetz zu streichen. Sven Lehmann von den Grünen vergleicht die Haltung der Regierung mit derjenigen zur Organspende im Januar dieses Jahres: „Schwule Organe sind offenbar erwünscht, schwules Blut aber nicht.“ Warum er dann damals selbst gegen die Erleichterung der Organspende gestimmt hatte, erklärt er nicht. CDU und AfD argumentieren indessen, Schwule seien eine Risikogruppe für HIV-Übertragungen und dürften daher weiter diskriminiert werden. Die SPD lässt durchblicken, dass sie die bestehende Regelung für komplett absurd halte, aber wie immer im Rahmen der Koalitionsdisziplin für ihre Beibehaltung stimmen werde. Lebenserhaltende Maßnahmen für die Partei scheinen immer aussichtsloser. Zum behaupteten Risiko durch Schwule beim Blutspenden: In den letzten zwanzig Jahren waren von etwa 120 Millionen Blutkonserven gerade einmal sechs HIV-infiziert, davon stammten nur zwei von Schwulen. Es ist also wahrscheinlicher, auf einer Corona-Demo vom Blitz in den Aluhut getroffen zu werden, als sich durch eine Blutspende mit HIV zu infizieren.

28. Mai: Eine der größten Diskriminierungen ist endlich vorbei: Der Bundestag stimmt für die Einführung einer jüdischen Militärseelsorge. Da Beten für Bundeswehrsoldaten im Einsatz oft ratsam ist und ungesegnete Waffen vermutlich noch schneller auseinanderfallen als sowieso schon, erscheint es sinnvoll, den positiven Einfluss auszuweiten, den die Religion seit Jahrtausenden auf den Weltfrieden ausübt. Auch wenn in der Bundeswehr vieles nicht koscher ist, geht es in der Truppe künftig rabbi-at zu: Der Stahlhelm wird mit einer Kippa geflickt, aus Zapfenstreich wird Lichterfest, Schlammrobben heißt jetzt Laubhüttenfest, bei simulierten Häuserkämpfen werden Gebetskästchen an die Türen gehängt, und bei Ekelritualen wird Rinder- statt Schweineleber eingeflößt.

 

 Text: Tilman Lucke