20.08.2020

No. 121

Die aktuelle Neuauflage des Dudens

#duden #gendersternchen #afd #vds #transgender

 

Wie schaffen es nun Wörter, in den Duden aufgenommen zu werden? Auf ihrer Webseite schreibt die Redaktion, ein Wort wird aufgenommen, wenn es über einen längeren Zeitraum gebraucht wird, »in einer gewissen Häufigkeit auftritt« und »wirklich ‚in aller Munde' ist«. So z.B. das romantische Wort »Fistfucking«, das schon seit Jahren im Duden steht...

 

»Der Aufbau ist mir zu gradlinig, zu formal. Mir fehlen die überraschenden Wendungen.« So rezensierte Marcel-Reich-Ranicki einst den Duden. Am 12. August 2020 erscheint nun die neuste Ausgabe der beliebten Philisterbibel. Die mittlerweile 28. Auflage beinhaltet 3000 neue Einträge, z.B. die Worte »Insektensterben« – dafür gibt es ein Bienchen – und »Pflegeroboter«. So nennt man Pflegekräfte nach drei Monaten voller unbezahlter Nachtschichten. Ebenfalls neu aufgenommen wurde das Wort »Cisgender«. Das sind Menschen, die sich mit dem Geschlecht, welches ihnen aufgrund äußerer Merkmale zugeschrieben wird, auch identifizieren und sich dementsprechend als Mann oder Frau fühlen. Fühlt man sich dabei heiter und fröhlich, ist man Cis-Dur, wenn nicht, Cis-Moll. 

Wie schaffen es nun Wörter, in den Duden aufgenommen zu werden? Auf ihrer Webseite schreibt die Redaktion, ein Wort wird aufgenommen, wenn es über einen längeren Zeitraum gebraucht wird, »in einer gewissen Häufigkeit auftritt« und »wirklich ‚in aller Munde' ist«. So z.B. das romantische Wort »Fistfucking«, das schon seit Jahren im Duden steht. Die Duden-Redaktion ist also stets bemüht, den gesellschaftlichen Wandel abzubilden; deshalb wurden seit der Erstauflage von 1880 bereits mehrere tausend Einträge neu hinzugefügt. »Abwrackprämie«, »Frauenquote« oder »Waschvollautomat«. Apropos zu heiß gewaschen: Der »Einlaufjunge« passt seit 2020 auch in den Duden. Ebenso das »Geisterspiel«. Das sind Fußballspiele gegen Mannschaften, vor denen man sich zwar ängstigt, die es aber eigentlich gar nicht gibt und die nur als Legende existieren. Anders lässt sich das 8:2 des FC Bayern gegen den FC Barcelona nicht erklären. Letzterer spielt schon seit Jahren ohne Pep und ist seit dem Weggang von Guardiola von allen guten Geistern verlassen. 

Die aktuelle Neuauflage des Dudens hat aber auch sehr viel Kritik auf sich gezogen. Die AfD etwa moniert nicht nur die vielen neuen Anglizismen (»Lockdown«, »Influencer/Influencerin«), sondern sieht in der Aufnahme der Lemmata »Klimakrise«, »Alltagsrassismus« oder »Flugscham« eine »Ideologiehilfe zur Durchsetzung linker Politik«. Hier soll den Bürger*innen von einer links-grün versifften Elite vorgeschrieben werden, wie sie zu sprechen haben. Da kocht das nationale Gemüt, da regt sich Protest. Schon prangt an ersten Buchhandlungen in großen Lettern »Duden raus«, gefolgt von unmissverständlichen Boykottaufrufen: »Deutsche! Kauft nicht beim Duden!« Sieht man sich rechtsradikale Beiträge im Internet an, scheinen viele potentielle AfD-Wähler*innen diesem Aufruf schon lange zu folgen. In Anbetracht dieser Kritik war es wohl weise Voraussicht der Redaktion, das Wort »haten« ebenfalls neu in den Duden aufzunehmen.

Der Duden mutet konservativen Sprachliebhaber*innen allerdings noch mehr zu, beinhaltet er doch erstmalig auf drei Seiten Informationen zum gendergerechten Sprachgebrauch und zur Verwendung des Gendersternchens. Das ging dem Verein Deutsche Sprache (VDS) eindeutig zu weit. So beklagt der VDS-Vorsitzende Walter Krämer, es müsse »endlich Schluss [damit] sein, dass Einzelne von oben herab entscheiden wollen, wie sich Sprache zu entwickeln hat.« Weiter sagt er: »Viele Menschen nehmen das, was im Duden steht, für bare Münze und werden glauben, dass Gendersternchen und ähnliche Konstrukte echte Bestandteile der deutschen Sprache seien.« Fassen wir zusammen: Laut Herrn Krämer soll niemand »von oben herab entscheiden« wie sich Sprache zu entwickeln hat. Wenn Menschen diesem Gebot folgen, sich Gedanken um geschlechtergerechte Sprache machen und der Duden diese Diskussionen aufgreift und darstellt, dann kommt Herr Krämer als oberste Instanz und entscheidet von oben herab, hierbei handele es sich um »Konstrukte, die keine echten Bestandteile der deutschen Sprache sind.« Derartige Fundamentalkritik vom VDS ist aber auch nichts Neues. Auf ihrer Webseite kritisieren die selbsternannten Sprachschützer*innen, der Wunsch nach mehr Geschlechtergerechtigkeit führe zu »motivierten zerstörerischen Eingriffe[n] in die deutsche Sprache«. Daher haben sie sogar einen »Aufruf zum Widerstand« formuliert. Kleiner ging es wohl nicht. Ihr Manifest mit dem Titel »Schluß mit Gender-Unfug« wurde bereits von 467 Menschen unterzeichnet. 53% davon haben sogar einen Professorentitel. Beeindruckend? Nein! Beindruckend ist, dass stolze 77,73% derjenigen, die sich  hier öffentlich gegen »Gender-Unfug« aussprechen,, etwas viel geileres besitzen als eine schnöde Professur. Sie haben einen Penis! Jawohl, einen Penis. Der Begriff Penis stammt aus dem lateinischen, griechischen und klingonischen, er steht (und wie!) für Größe, Herrlichkeit und die Fähigkeit, alles zu können und zu wissen. Wenn also jemand berechtigt und in der Lage ist, sich kompetent, feinfühlig und angemessen gegen »Gender-Unfug« zu erwehren, dann sind es Gottes ausgewählte Geschöpfe. Und wenn so ein Penis einen deutschen Professorentitel hat, dann ist er bekanntlich noch göttlicher. Und größer.
In dieser Situation kann man der Redaktion des Dudens nur wünschen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen, weiterhin standhaft und behutsam die deutsche Sprache begleiten und ihren altbackenen Kritiker*innen mit einem freundlichen »Zwin­ker­smi­ley« antworten. Das steht jetzt nämlich auch im Duden.

 

 Text: Martin Valenske