19.11.2020
No. 134
Der Aluhut ist ein alter Hut
Faschos, Querdenker, Homöopathinnen, Corona-Leugner, Verschwörerinnen – hier demonstriert zusammen, was zusammen gehört: Alle glauben an etwas, das außer ihnen nie jemand bewiesen hat. Unbeachtet bleiben Grundregeln wie Abstand, Anstand und dass man seine Verschwörungstheorien in die Armbeuge erzählen soll. Wobei man zur Ehrenrettung der Nazis betonen muss: Nicht alle Rechtsextremen sind Corona-Leugner. Tritt bei den Corona-Demos etwa eine neue ideologische Mischung auf? Mitnichten! Ein Blick in die Geschichte zeigt: Die Menschheit fiel immer wieder auf irre Ideologien und unbewiesene Behauptungen herein. Die postfaktischste von ihnen: die Religion. Bühne frei für die größte Pandemie der Weltgeschichte!
Zigtausende frustrierte, perspektivlose, bis an die Zähne bewaffnete Reichsbürger stürmen singend und pöbelnd die Hauptstadt und lassen sich weder durch Worte noch durch Sicherheitskräfte aufhalten. Am Ende bleibt ein einziges Schlachtfeld übrig, Tausende Menschen sind tot. So geschehen im Jahr 1099 in Jerusalem. Parallel ereigneten sich in den großen Städten Europas Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung; gerüchteweise soll sogar Antisemitismus im Spiel gewesen sein. Der Anführer der Querdenker, Hassprediger Urban II., hatte kurz zuvor seine Anhänger in ganz Europa aufgepeitscht und so den ersten Kreuzzug in Gang gesetzt. Zweck der Reise: die Verkündung unbewiesener Behauptungen in aller Welt. Und tatsächlich ging seine Religion damals viral: Zur Reise nach Jerusalem brachen Tausende Frustrierte, Bekloppte und Asoziale auf, jeder mit dem Anspruch, der eigentliche Führer zu sein. Zwischendurch bekriegten sie sich gegenseitig, schrien durcheinander oder kamen einfach nur vom Weg ab. Ein Kreuzzug war also eine Art wandelnder AfD-Parteitag – mit einem ebenso dürftigen Hygienekonzept. Noch heute erinnert das Spiel „Reise nach Jerusalem“ daran, dass schon auf der Reise ständig jemand abhanden kam, weil er entweder zu blöd war, nicht mehr mitgehen wollte oder den eigenen Leuten zum Opfer fiel, noch bevor das Reiseziel erreicht war. Der Darwin-Award lässt grüßen.
Aus den wenigen, die es dennoch nach Jerusalem und wieder zurück schafften, wurden die berüchtigten Reiserückkehrer, die das Virus wieder in Europa verbreiteten. Erst nach zweihundert Jahren und nach der achten Welle ebbten die Kreuzzüge ab, auch wenn der Hotspot Europa wegen der massiven Durchseuchung mit Religion längst hätte immun sein müssen. Doch im dunklen Mittelalter befanden sich vor allem die Oberstübchen im strengen Lockdown.
Religiöse Superspreader-Ereignisse gab es in der Geschichte immer wieder: Jesus von Nazareth etwa sah seine Existenz als Soloselbständiger in der Veranstaltungsbranche (Schwerpunkt Gastro-Events) bedroht und brachte immer mehr Anhänger gegen das Römische Reich auf, bis das Reich im Jahr 380 flächendeckend als Risikogebiet galt und seine kruden Erzählungen zur Staatsreligion erhob. Ab 622 wiederum baute sich Mohammed in Saudi-Arabien aus der geistigen Risikogruppe ein schlagkräftiges Söldnerheer auf. In Arabien, Nordafrika und Spanien konnte das 1001-Nocht-Institut für das 7. und 8. Jahrhundert eine erhebliche Übersterblichkeit nachweisen. Mohammeds versprengte Nachhut verübt sogar noch heute, im Jahr 2020, im eigenen Auftrag weltweit Terroranschläge. Im Gegensatz zu Passanten in Nizza und Wien ist der Hass auf (Anders-)Denkende im Islam nicht totzukriegen!
Auch in der Neuzeit ereigneten sich immer wieder Religionsausbrüche, beispielsweise bei der christlichen Besiedelung Amerikas. Damals mussten die Kinder von getöteten Ureinwohnern einer Notbetreuung (Taufe) zugeführt werden. Und manch Exorzismus geriet zum Geisterspiel. Nach dem Aufkommen des Protestantismus, der die Landschaft der gefühlten Wahrheiten abermals erweitert hatte, wurde der Dreißigjährige Krieg trotz des hohen Religions-Infektionsrisikos als Präsenzveranstaltung abgehalten.
Gegen diese langlebigste Pandemie der Welt hilft kein Beherbergungsverbot, schon eher ein Beherrgottungsverbot. Durch Mutationen kann die Gefährlichkeit von Religionen allerdings gelegentlich sinken: Selbst die katholische Kirche leugnet seit wenigen Jahren nicht mehr alle Teilbereiche der Wissenschaft – man glaubt es kaum. Doch Studien zeigen, dass Religion im 21. Jahrhundert vor allem Menschen befällt, deren IQ-Test negativ ausgefallen ist. Bei Pandemien aller Art sind und bleiben Idioten die größte Risikogruppe. Das Grundrecht auf Dummheit –niedergeschrieben in Artikel 4 des Grundgesetzes – ist ein hohes Gut. Wie das Recht darauf, andere zu zwingen, an die eigene Weltsicht zu glauben, wird es oft stärker gewichtet als das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Ein rettender Impfstoff steht allerdings seit Jahrtausenden bereit: Bildung.
Text: Tilman Lucke