04.12.2020

No. 136

Die vier beklopptesten Jahreszeiten des Jahres 2020 – heute: der Sommer (Juni bis August)

Wirecard floppt, Scheuer foppt, ICE stoppt und Kalbitz kloppt: Trotz Corona blieb das Sommerloch 2020 aus.

4. Juni: CSU-Generalsekretär Markus Blume erklärt in einem seiner wenigen lichten Momente: „Du kannst ein Stinktier nicht überstinken.“ Der Satz ist auf die AfD gemünzt – doch Blume selbst hat in seiner Amtszeit bereits einiges Anrüchige sekretiert: Beispielsweise ist laut ihm jemand, der die Kreuzpflicht in bayerischen Amtsstuben kritisiert, ein „Feind Gottes“. Ist in der tagespolitischen Debatte dummes Geschwätz gefragt, ruft Markus Söder kurz durch die CSU-Zentrale: „Lass Blume brechen!“ Der dufte Name ist nur konsequent: Schließlich hieß schon bei „Bambi“ das Stinktier Blume.

18. Juni: Im Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück ereignet sich ein Massenausbruch. Leider nur von Viren. #Slaughtergate

19. Juni: Das Berliner Stadtmagazin „Zitty“ macht dicht, nachdem es seinen Veranstaltungskalender drei Monate lang mit „Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Netflix“ gefüllt hatte. Der Titel „Zitty“ war eine Anspielung auf die typische Verwechslung von S und Z im Berliner Slang. Z wird in der Hauptstadt bekanntlich stets zu ß („ẞeitung“, „ẞwangsvasteijerung“) – dafür aber S genauso oft zu Z („Zwen“, „Zychologie“, „Schloss Zangzuzih“). Doch Minus mal Minus gibt Plus: Die Schreibweise „Zitty“ suggerierte indigenen BerlinerInnen die Aussprache „ẞitty“. Die Berliner Schnauze schnauzt also zum ersten und einzigen Mal völlig korrekt.

20. Juni: Die Stuttgarter Innenstadt wird von „Feierwütigen“ verwüstet. Es schließen sich einige Kehr-Wochen an.

22. Juni: Im Deutschen Aktienindex, der die dreißig wichtigsten Unternehmen Deutschlands führt (unter anderem Wirecard), ereignet sich ein Wechsel, der die Corona-Krise nicht sinnbildlicher illustrieren könnte: „Deutsche Wohnen“ verdrängt die Lufthansa. #stayathome #malrunterkommen

27. Juni: Der älteste Mann der Welt stirbt – bereits zum dritten Mal in diesem Jahr. Wie macht der das nur?

29. Juni: Der ehemalige französische Premierminister François Fillon wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Familie ist bekanntlich Einstellungssache, weshalb Fillon als Abgeordneter seine komplette Familie als Mitarbeiter eingestellt hatte. Seine Einstellung zur Geschlechterfrage ist allerdings tadellos konservativ: Sein Sohn erhielt fürs Nichtstun 4300 Euro pro Monat, seine Tochter lediglich 3800 Euro. Die vorgeschriebene Gender Pay Gap wurde damit locker eingehalten.

1. Juli: Bei der KSK fehlen mehrere Tausend Schuss Munition. Ob die Munition jedoch gestohlen wurde oder ob ein Buchungsfehler zugrunde liegt, lässt sich nicht klären. Solche Schuss(s)eligkeit bei der Bundeswehr ist (leider nicht) zum Schießen.

2. Juli: Es wird bekannt, dass Sigmar Gabriel kurz nach Beginn der Pandemie eine Beratertätigkeit bei Tönnies angetreten hatte. Liebe geht durch den – inzwischen verkleinerten – Magen. Den Hals kriegt er trotzdem nicht voll. Gabriels Motto „Dahin gehen, wo es stinkt“ trifft auf Tönnies allerdings nicht zu, denn: Geld stinkt bekanntlich nicht.

6. Juli: Die saudi-arabischen Behörden ordnen für den „Hadsch“ eine Maskenpflicht an. Gesundheit!

13. Juli: Auch Turkmenistan führt eine allgemeine Maskenpflicht ein. In dem Land gibt es hochoffiziell keinen einzigen Corona-Fall – als einzigem Festlandstaat der Welt außer Nordkorea. Präsident Gurbanguly Zungenbrechowitsch Berdimuhamedow sorgt sich dennoch um die Gesundheit der Bevölkerung und ordnet die Masken deshalb gegen Staub an.

15. Juli: Au wire! Wie windig Wirecard wirklich war, wird ruchbar, als herauskommt, dass Karl-Theodor zu Guttenberg persönlich bei der Bundeskanzlerin für den Konzern geworben hatte. Der flüchtige Ex-Wirecard-Chef Jan Marsalek distanziert sich umgehend von dem unseriösen Adligen.

16. Juli: Der Rapper „Haftbefehl“ schießt sich selbst ins Bein, indem er sich ins Bein schießt. Die überlastete Polizei bedankt sich für die ehrenamtliche Mitarbeit. Der Künstlername des Künstlers wird offiziell in Schießbefehl geändert.

22. Juli: Wegen des großen Erfolges in Deutschland schlägt Andreas Scheuer eine europaweite Pkw-Maut vor. Die zugehörigen Maut-Verträge mit Wirecard sind bereits unterzeichnet.

10. August: Knuff-druff-Show in Potsdam: Himmler-Double und Ex-AfD-Mitglied Andreas Kalbitz „begrüßt“ seinen Fraktionskollegen Dennis Hohloch mit einem Schlag in die Magengrube, was diesen zu einem Milzriss veranlasst. Hohloch kann Schlimmeres vermeiden, indem er Kalbitz beim Schienbeintritt durch Marschieren und bei der Ohrfeige durch Hitlergruß gerade noch ausweicht. Auf dem Parteitag im ehemaligen AKW Kalkar im November verhandfestigt sich der Eindruck von „Kabbelei und Hiebe“ in der schlagenden Verbindung AfD: Alexander Gauland stürzt (leider wörtlich), und Björn Höcke sowie Meuthens Sekundant Rüdiger Lucassen zeigen sich am zweiten Tag mit Schrammen und Pflastern übersät. Wenn Deutschland also Glück hat, erledigt sich die Partei bald auf eigene Faust.

12. August: Ein Würstchen auf Reisen, aber nicht im Bordbistro: AfD-Fraktionsgeschäftsführer Stephan Brandner, trotz maskenheischenden Gesichts ein aufrechter Kämpfer gegen die Maskenpflicht, probt im ICE den Aufstand: Nachdem er mit dem Zugbegleiter in Streit geriet und einen Polizeieinsatz vom Zaun brach, versteckt sich der ehrenamtliche Corona-Leugner über mehrere Stationen hinweg vor der Polizei in der Zugtoilette. Zyankali war wohl gerade aus. Wenn das der (Zug-)Führer wüsste!

20. August: Neues vom Wirecard-Drama: Der Betrüger Jan Marsalek soll in gefakten Wirecard-Zweigstellen SchauspielerInnen angestellt haben, die als Bankangestellte Eindruck auf potentielle KundInnen machen sollten. Wie weiter bekannt wird, hatte sich in Berlin jahrelang ein Olaf S. als Finanzminister ausgegeben, der in den Kulissen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Statisten dafür bezahlte, so zu tun, als würden sie Wirecard beaufsichtigen. Olaf S. soll seinerseits bei einer Angela M. angestellt sein, die sich als Regierungschefin verkleidet hat, obwohl sie seit Jahren nachweislich keine Regierung führt. M. wiederum wurde von einem Typen beraten, der behauptet, ein Freiherr mit zehn Vornamen zu sein und seinen Doktortitel wieder zu haben. Absurder Plot, aber die Welt ist eine Bühne!

24. August: Die insolvente Wirecard muss den Deutschen Aktienindex verlassen. Dafür rückt per Wildcard das Unternehmen Delivery Hero nach, das in Deutschland bisher keinen einzigen Cent Gewinn gemacht hat. Klingt nach einem würdigen Nachfolger im Club der dreisten Dreißig.

 Text: Tilman Lucke