13.12.2020

No. 138

Vom Medicine Square Garden in den ersten zweiten Lockdown – so war der Oktober

Die Polizei schützt den Rechts-Staat, der Bundestag vermehrt seine Sitze exponentieller als Corona, und die Uhren werden zurückgestellt – auf März. Der Oktober war mal wieder bekloppt – wie bekloppt, lesen Sie hier!

 

2. Oktober: Donald Trump hat Corona. Kurz zuvor hatte er bei einer Veranstaltung mutmaßlich Dutzende Funktionäre angesteckt. Der Rosengarten des Weißen Hauses heißt ab sofort „Medicine Square Garden". Das Coronavirus hat sich übrigens länger in der US-Regierung aufgehalten als die meisten Kabinettsmitglieder.
7. Oktober: Same procedure as every year: Die Polizei durchsucht die Frankfurter DFB-Zentrale wegen Steuerhinterziehung von Einnahmen aus der Bandenwerbung. Das Wort „Bandenkriminalität" erhält dadurch eine ganz neue Bedeutung.
8. Oktober: Der Bundestag findet, das komplizierteste Wahlgesetz der Welt (54 311 Buchstaben) regle die Bundestagswahl noch nicht ausführlich genug. Klare Gewinnerin der Wahlrechtsreform ist die CSU, weil drei ihrer Überhangmandate künftig unausgeglichen bleiben. Die SPD hatte dies zuvor heftig kritisiert. Bei der Anhörung im Bundestag hatten sich fünf von sechs Expertinnen gegen das Gesetz ausgesprochen, darunter auch der von der SPD benannte Mathematiker. Mit anderen Worten: Eine Zustimmung der Sozialdemokraten stand von vornherein fest. Die Gesetzentwürfe von FDP, Linkspartei und Grünen auf der einen und der AfD auf der anderen Seite erhalten keine Mehrheit. Geschichtsträchtig ist der Tag für die GroKo allemal: Dass du ein richtig schlechtes Gesetz gemacht hast, merkst du nämlich, wenn selbst die AfD (!) einen besseren Vorschlag bringt. Aus der CDU kommen vereinzelte Enthaltungen; vier Hamburger CDU-Abgeordnete geben dazu eine schriftliche Erklärung ab: Sie stören sich weniger an einem verzerrten Wahlergebnis, sondern beklagen für Hamburg, wo die CDU keine Überhangmandate gewinnen kann, einen Wegfall der Listenmandate – nämlich ihrer eigenen. Eine ungerechte Neuregelung abzulehnen, weil die Ungerechtigkeit einem selbst ungerechterweise keinen Vorteil bringt, und das auch noch offen zu zuzugeben – da drängt sich der alte Philosophensatz auf: „Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben."
9. Oktober: Das Bundesverteidigungsministerium storniert die Bestellung des neuen Sturmgewehrs der Firma Haenel. Grund dafür ist eine mögliche Urheberrechtsverletzung gegenüber dem Konkurrenten und bisherigen Lieferanten Heckler & Koch. Sonstige Rechte, etwa auf Leben oder körperliche Unversehrtheit, werden durch das Sturmgewehr – im Gegensatz zu Menschen – nicht verletzt.
10. Oktober: Alexander Lukaschenko reagiert auf die andauernden Proteste gegen seine gefälschte Wiederwahl und trifft sich zu Gesprächen mit Oppositionellen – im Minsker Gefängnis. #Probesitzen
14. Oktober: Während der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan tobt, twittert Mesut Özil, als Türke drücke er Aserbaidschan die Daumen. Er hatte unmittelbar zuvor für Aktien von Wirecard und Augustus Intelligence geworben, ein Gutachten zugunsten der Pkw-Maut geschrieben, Peter Altmaier bei der Farbe seiner Krawatten beraten, die Grundzüge der schwedischen Corona-Politik entworfen sowie die Weltmeisterschaft im Fehleinschätzen souverän für sich entschieden.
19. Oktober: Andreas Scheuer gibt den Deutschen eine „Klopapier-Garantie". Gegen Engpässe auf Deutschlands Lokussen stiftet er einige Millionen seiner berüchtigten Maut-Aktenordner.
22. Oktober: Der Landesparteitag der Berliner AfD muss wieder einmal verschoben werden – wegen Brandschutz. Die Partei der Brandstifter ist überrascht.
23. Oktober: Das Brandenburger Verfassungsgericht stoppt das Paritätsgesetz, mit dem der Frauenanteil im Landtag auf fünfzig Prozent angehoben werden sollte. Antragstellerinnen vor Gericht waren AfD und NPD, die durch das Gesetz in ihrem Verständnis von Demokratie beeinträchtigt worden waren. Beide Parteien beantragen stattdessen eine gesetzliche Arschlochquote für Landeslisten von hundert Prozent.
25. Oktober: Die Zeit wird zurückgestellt. Auf März. Drei Tage später kommt es daher zum zweiten Lockdown. Also zum ersten zweiten Lockdown. Im Verlauf des Novembers steigen die Infektionszahlen allerdings weiter – und das, obwohl die hochgefährlichen Kabaretts und Theater geschlossen sind. Könnte es sein, dass sie schon vorher nichts zum Infektionsgeschehen beigetragen haben? Nicht nur der Schauspielerin Caroline Peters erscheinen die Schließungen ungerecht: „Wir kommen uns vor wie die Einserschüler, die vorne sitzen, alles richtig machen, und von hinten wird Scheiße an die Tafel geworfen, so dass alle fünf Stunden nachsitzen müssen."
26. Oktober: Die CDU sagt ihren Parteitag ab. #CancelCulture
27. Oktober: Rechtsterrorist Horst Mahler wird nach vielen Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Er stehe inzwischen mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Verfassung, so der beidseitig Beinamputierte. Er werde künftig nicht mehr dauernd den Holocaust leugnen, sondern zur Abwechslung erst mal nur Corona. Als Bewährungsauflage muss der schrullige Antisemit künftig alle Texte vor der Veröffentlichung der Polizei vorlegen. Sind die Äußerungen erlaubt, darf er sie tätigen; sind sie es nicht, werden sie asserviert und verschwinden vollständig in polizeiinternen Telegram-Gruppen.

 Text: Tilman Lucke