30.04.2021

No. 158

Last one schlafing

Die Union hat sich entschieden, die Print(en)medien überschlagen sich: Markus Söder darf auch nach der Bundestagswahl Ministerpräsident in München bleiben. Und Armin Laschet in Düsseldorf.

 

In der Union herrschte monatelang ein Hauen (übers Ohr) und Stechen (Be-), um in einem Duell der Giganten zu gipfeln: Auf der einen Seite der lachhafte Karrierist, der nach in einem unwürdigen Gezerre an die Parteispitze kam, sein Fähnchen ständig nach dem Wind dreht und zu Hause durch eine schlechte Corona-Bilanz und miese Wahlergebnisse auffällt – und auf der anderen Seite Armin Laschet. Der CDU-Brückenvorsitzende schlug – wie schon vor zweitausend Jahren sein Namensvetter aus Detmold – die überheblichen Eindringlinge aus dem Süden zurück hinter den Limes, obwohl ihm zuvor etwa ein Viertel seiner Truppen von der Fahne gegangen war.

Mal im Ernst: Es gab genau ein Argument, das für den Kanzlerkandidaten Laschet sprach. Zugegebenermaßen ein sehr großes Argument, 1,94 Meter groß: Markus Söder. Die CSU hatte gehofft, mit dem politischen Totimpfstoff Markus Söder (von BayerNTech) gegen die Welle schlechter Umfragewerte ankämpfen zu können. Doch nach lediglich neun Tagen musste der „pubertierende Schulhofschläger“ (Christian Lindner 2018 über Söder) von seinem Schulausflug in die Bundespolitik wieder abgeholt werden. Auch nach seinem Rückzug „ohne Groll“ trollt er munter weiter und verdient sich mit der Schmierenkomödie „Laschet uns nachtreten!“ den Oscar als bester Gegendarsteller. Unfreiwillig offen hatte Söders Fanboy Reiner Haseloff nämlich bestätigt, worum es in der K-Frage wirklich gehe: nicht um Sympathie, Vertrauen oder Charakter, sondern nur um Macht. Immerhin führt Söder die Partei an, aus der die Masken-Rekordverdiener Sauter und Gauweiler immer noch nicht rausgeschmissen wurden. Eine Partei, in der Franz Josef Strauß, der sich in einem New Yorker Puff sein Portemonnaie stehlen ließ und gelegentlich betrunken in die Decke seines Büros in der Staatskanzlei schoss, als Heiliger verehrt wird.

Dass Laschet im CDU-Hinterzimmer (formerly known as Parteivorstand) ausgekungelt worden sei, erklärte das CSU-Hinterzimmer kurzerhand für unzulässig – und nominierte einstimmig Kim Jong-söder (dessen Corona-Frisur in der Tat nordkoreanisch anmutet) fürs Kanzleramt. Das kennt er gut, schließlich hat er oft genug drangepinkelt. Söder war seiner Zeit stets voraus, schließlich erfüllte er schon lange vor dem Auftauchen von SARS-CoV-2 das Symptom der Geschmacklosigkeit. Und als junger Landtagsabgeordneter erkannte er schon 1997 den Daseinszweck seiner Partei: „Nichts integriert in der CSU so sehr, wie wenn’s gegen die CDU geht.“ Problem: Mit einem Bundeskanzler Söder hätten sich die tolldreisten Trachtentunten von der CSU genau dieser Existenzberechtigung entledigt, nämlich die Regierung durch das Durchdrücken verfassungswidriger Gesetze von innen heraus lächerlich zu machen. Maut, Herdprämie und Obergrenze hätten unter einem CSU-Kanzler nie existiert – was sie dank diverser Gerichte ohnehin nicht tun. Deshalb kann Angela Merkel als gesetzliche Betreuerin des kleinsten Regierungspartners den verängstigten Bürgerinnen und Bürgern zurufen: „Die CSU macht nichts, die will nur stören!“ Getreu dem bayerischen Motto: Hund sans scho!

Während die SPD auf dem Scholzweg wandelt und die Grünen eine Kandidatin ohne Regierungserfahrung aufstellen (die damit zumindest für die aktuelle Regierung überqualifiziert wäre), strebt nun also für die Union ein Mann ins Bundeskanzleramt, den tausend Delegierte vor drei Monaten als den Fähigsten der Ihren auswählten, weil er ihnen versichert hatte: „Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung – aber ich bin Armin Laschet. Und darauf können sie sich verlassen.“ Auch dass ihn Friedrich Merz, der Weltmeister im Zweiterwerden, unterstützt, spricht eher gegen als für Laschet: Hofft Merz doch, dass Laschet nach einer Niederlage bei der Bundestagswahl einer dritten Merz-Welle nicht standhalten kann.

Söder hatte durch seinen Verzicht wenigstens den Zeitplan in der Hand und manövrierte Laschets denkbar glanzlose Kür ausgerechnet auf den 20. April, dem Internationalen Tag suboptimaler Kanzler. Diesen Trick hatte schon der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel 2005 bei der Staffelübergabe an seinen ungeliebten Nachfolger Günther Oettinger praktiziert, als er seinen Rückzug genau für den Ablauf des 19. April ankündigte. Oettinger konnte seine Wahl immerhin um einen Tag verzögern. Laschet nicht – obwohl Zögern seine Paradedisziplin ist.

In Wahrheit hat der Urenkel Karls des Großen nämlich einfach bei Kohl und Merkel das alte Funktionärsspiel gelernt: So lange sitzen bleiben, bis alle anderen aufgegeben haben, innerhalb und außerhalb der Partei. Merkel verdankt ihre vier Wahl-„Siege“ ausschließlich ihrer Fähigkeit zur „asymmetrischen Demobilisierung“. Wer bei diesem Begriff noch nicht eingeschlafen ist, wählt wahrscheinlich CDU. Last one schlafing! Und die wichtigste Quote war in der CDU immer schon die Ausschaltquote.

 Text: Tilman Lucke