09.08.2021
No. 173
Das Antidiskriminierungsgesetz wird 15
Vor 15 Jahren schuf die GroKo das Antidiskriminierungsgesetz. Ja, damals gab es noch Dinge, die sich änderten! Eine verrückte Zeit. Eine Geburtstagsrede.
Sehr geehrte Damen, Herren und Kinder! Liebe Muslime, verehrte Christen – und Protestanten, hochgeschätzte Juden und Buddhisten, sehr verehrte Sonstige, liebe Weitere, Übrige und übrigens auch liebe Atheisten! Liebe Best Ager, verehrte Worst Ager, liebe Junggebliebene, sehr geehrte Altgewordene und ehrwürdige Nochnichtgestorbene, liebe Ablebende und Abgelebte! Sehr geehrte Afrikaner, liebe Farbige, liebe Weiße, hochverehrte Schwarze, Gelbe, Rote, Grüne und Ultraviolette und übrigens auch alle Menschen, die nicht nach ihrer Hautfarbe unterschieden werden möchten! Liebe Fleischfresser und -esser, liebe Vegetarier und Veganer vierten Grades – das sind die, die nichts essen, was einen Schatten wirft. Verehrte Nettoempfänger, liebe Nettozahler – an dieser Stelle mit herzlichem Dank! Sehr geehrte Inländer; grüß Gott, liebe Bayern! Hochgeschätzte Ausländer, Ausländerfreunde und Ausländerfeinde! Liebe Nichtangesprochene und Nichtzuhörende!
Lassen Sie mich nun zum Kern meiner Rede kommen: In diesen Tagen jährt sich das Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – im Volksmund auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – zum fünfzehnten Mal. Seit jenem denkwürdigen Tag ist unser Land spürbar transparenter und gerechter geworden. Die Diskriminierung in unserem Land konnte in nahezu allen Lebensbereichen ausgerottet werden. Bei Bewerbungsgesprächen spielt es heute keine Rolle mehr, ob man eine Frau ist oder frau ein Mann ist oder beides. Die Bundesregierung geht seit Jahren mit gutem Beispiel voran: Ministerinnen werden heute ausschließlich nach ihrer fachlichen Qualifikation ausgewählt. Heimatminister müssen irgendwo herkommen, Gesundheitsminister die meiste Zeit gesund sein, Arbeitsminister Arbeit haben, Ernährungsministerinnen sollten sich gelegentlich ernähren, und Verteidigungsminister müssen zumindest ihre Doktorarbeit verteidigt haben. Künftig werden auch Justizministerinnen mindestens drei Jahre lang eingesessen haben.
Die Wissenschaft ist inzwischen fast diskriminierungsfrei, wobei die Mathematik klar vorangeht: Die Zahl der Ungleichungen ist kleiner als die der Gleichungen, und bei Wurzeln konnten die Diskriminanten radikal ausgerottet werden.
Auch die Rauchenden werden keineswegs diskriminiert: Egal, ob Zigarre oder Wasserpfeife, Marlboro, West oder Ost: Vor der Tür ist Platz für alle, und die Gleichheit steht nicht auf der Kippe.
Trotz der sensationellen Erfolge auf dem Weg zu umfassender Gleichbehandlung mussten wir inzwischen leider einige Diskriminierungsschlupflöcher zur Kenntnis nehmen. So beschwerten sich bereits zahlreiche junge, weiße, westdeutsche, heterosexuelle, gesunde, berufstätige Männer mit Hochschulabschluss, dass sie sich neuerdings diskriminiert fühlten. Sie seien die Letzten, die sich auf keinerlei staatlich anerkannte Diskriminierung berufen könnten. In diesem und weiteren Punkten arbeitet die Bundesregierung bereits intensiv an einen Gesetzentwurf, der auch diese Restdiskriminierung beseitigt. In Zukunft wird es daher auch nicht mehr möglich sein, den Ehepartner einfach nach dem Geschlecht auszuwählen.
Sehr geehrte zuvor Angesprochene – siehe oben – und Vergessene! Im Namen der Gleichheit wünsche ich uns allen fünfzehn weitere ausgeglichene Jahre!
Text: Tilman Lucke