06.10.2021

No. 180

Jein oder Nicht-Jein, das ist hier die Frage

Eine Pannenwahl sondergleichen liegt hinter uns. Dazu passt, dass der Physiknobelpreis dieses Jahr an einen Chaosforscher geht. Die größte Panne ist jedoch, dass Armin Laschet nach über einer Woche immer noch im Amt ist. Wir trauern schon seiner Vorgängerin hinterher, die ein Vielfaches an Charisma hatte: Annegret Kramp-Karrenbauer! Unser Fazit: Laschet die Spiele beenden!

 

Armin Laschet leitet aus seinen 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl einen Führungsanspruch für sich ab. Völlig zu Recht: Das sind immerhin fast fünfmal so viele Stimmen, wie Thomas Kemmerich 2020 brauchte, um Thüringen zu regieren. Und Laschet besitzt ein waschechtes Zukunftsteam! Das heißt allerdings nur so, weil es über weite Teile des Wahlkampfs in der Zukunft lag.

Laschet verhält sich so, als hätten die Brasilianer 2014 gesagt: 1:7 – wir treten mit dem Anspruch an, in der dritten Halbzeit die Führung zu übernehmen. Notfalls in einer Koalition mit dem Platzwart und den Bratwurstverkäufern! Und hätten ein Zukunftsteam aus Rivaldo, Pelé und João Havelange aufgestellt. Und hätte Erich Honecker das Durchhaltevermögen von Armin Laschet gehabt (sein Charisma und den Realitätssinn hatte er ja bereits), hätte er die Wende überstanden und einfach 1990 eine Zukunftskoalition unter seiner Führung gebildet.

Mit 24,1 Prozent den Wahlsieg zu reklamieren – um jenseits von Laschet auf eine solche Hybris zu stoßen, muss man von Berlin aus weit reisen. Nach – Berlin! Franziska Giffey macht’s mit 21,4 Prozent. Oder war das auch ein Zahlendreher? Hatten beide eigentlich 42,1?

Aus Laschets Vorhaben, fossile Arbeitsplätze zu retten, wird wohl nichts werden. Im Gegenteil, es wird einen fossilen Arbeitsplatz weniger geben: seinen. Der Urenkel Karls des Großen hat das Glück, dass nach der Wahlniederlage zwar an seinem Stuhl gesägt wird, aber bei weitem nicht nur von einem einzigen Parteifreund. Ganz Nordrhein-Westfalen will auf den Chefsessel: Röttgen, Spahn, Brinkhaus und der Rekord-Zweiterste Friedrich Merz. Doch keiner darf zuerst die Säge ansetzen: Wer als Erster „Baum fällt!“ ruft, wird meist zuerst getroffen. Und so kann Laschet nach der Methode Seehofer weiterwursteln, indem er die potentiellen Nachfolger gegeneinander ausspielt.

Im CDU-Wahlkampf fühlte man sich an die Comedyserie „Veep“ erinnert, in der eine inkompetente US-Vizepräsidentin durch allerlei Missgeschicke stolpert und sie durch Dementis und Wissenslücken nur noch schlimmer macht. Als sie sich im Streit um Abtreibungen für eine der beiden Seiten entscheiden soll (zwischen „Pro Life“ und „Pro Choice“), fragt sie ihre Beraterinnen: „Kann ich nicht einfach ‚Pro‘ sein?“

So etwas kann Laschet nicht passieren: Beispielsweise war er 2017 gegen die Ehe für alle, aber aus heutiger Sicht war er damals dafür gewesen. Laschet will immer beides: Jein oder Nicht-Jein, das ist hier die Frage!

Laschets Wahlprogramm könnte man – wenn es existieren würde – „CDUps – die Pannenshow“ überschreiben: Als er von einer Journalistin nach seinen drei wichtigsten Wahlkampfthemen gefragt wurde, konnte er buchstäblich nicht bis drei zählen. Dazu die Standup-Comedy im Flutgebiet, die fachmännisch unter der Nase baumelnde Maske, der falsch gefaltete Wahlzettel und so weiter. Es fehlt nur, dass die Aachener Weichprinte bei einer Pressekonferenz freudestrahlend verkündet, er habe es soeben geschafft, sich die Schuhe zuzubinden! (Das wird nicht passieren. Weil er es nicht schaffen würde.) Der dumme August im Zirkus würde vor den Slapstick-Einlagen der rheinischen Karnevalströte vor Neid erblassen – wenn er nicht schon so blass wäre.

Von seinem Möchtegern-Vorgänger Konrad Adenauer trennt ihn einiges: Adenauer hatte sich damals mit nur einer Stimme selbst gewählt und wurde Kanzler. Bei Laschet reichen auch zwei Stimmen nicht aus. Führte er dennoch noch eine Regierung an und würden seine Ministerinnen im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunden entgegennehmen, bräche Laschet wahrscheinlich im Hintergrund in herzhaftes Lachen aus, weil man das ja so macht, wenn der Bundespräsident vorne steht.

Wenn „Häuptling Wirdsonix“ (Spiegel) nun doch seinen Posten verliert, stellen sich zwei Fragen: Erstens: Wann merkt er, dass er nicht Kanzler ist? Und zweitens: Was macht er beruflich? (Wobei man sich das schon seit Jahren fragt.) Ihm bliebe noch ein Job als Kinderinterviewer bei „Late Night Berlin“. Noch besser passt allerdings ein Job, für den er nahezu überqualifiziert ist. Benötigte Eigenschaften: Zögerlichkeit, Uneinsichtigkeit, Unfehlbarkeit, keine Ahnung von Kindern, viel zu hohe Medienpräsenz, man sollte sich gern von Markus Söder beschimpfen lassen und mitten in einer Pandemie alle Zeit der Welt haben: Ab mit Armin Laschet in die Ständige Impfkommission!

 

 Text: Tilman Lucke