11.10.2021

No. 181

Das Erbe der GroKo – Unser Pflegesystem

Zum Erbe der GroKo gehört u.a. unser pflegebedürftiges Pflegesystem. Zum Glück bleibt uns aber wohl die Pflegereform von Friedrich Merz erspart, der vorschlug, aus Kostengründen den 5. Pflegegrad durch den Gnadenschuss zu ersetzen.

 

Noch ist unklar, wer das Erbe der GroKo antritt, doch eines ist jetzt schon Gewiss. Neben der verschlafenen Digitalisierung und Nachholbedarf in Sachen Klimaschutz ist es vor allem unser Pflegesystem, dessen Erneuerung wir jetzt bangend in die Hände der nächsten Regierung geben. Zum Glück bleibt uns aber wohl die Pflegereform von Friedrich Merz erspart, der vorschlug, aus Kostengründen den 5. Pflegegrad durch den Gnadenschuss zu ersetzen. Oder wäre das nicht manchmal humaner? Denn in der Tat, die Zustände sind teilweise wirklich schlimm. Es soll mittlerweile Pflegeheime geben, da gibt es nur einen Waschlappen für oben rum und einen für unten rum. Nicht pro Person, sonder pro Stockwerk! Das härtet natürlich ab. Vor allem den Lappen. Wer nun glaubt, die Behörden würden bei derart eklatanten Mängeln hart durchgreifen und eine Einrichtung auch mal schließen – quasi vom Heim zur geschlossenen Anstalt – glaubt wahrscheinlich auch noch an den Osterhasen oder an die Riesterrente. Aber weit gefehlt. »Ein Restaurant wird schneller etwa wegen Verstoßes gegen Hygienevorschriften geschlossen als ein Pflegeheim«, so der Pflegeexperte Claus Fussek. Allerdings kann man die Behörden auch verstehen; die verantwortlichen Kommunen wissen oft gar nicht, wo sie im Falle einer Heimschließung die Insassen eigentlich unterbringen sollten. Man kann sie ja nicht 24 Stunden ins Kabarett stecken. Von den Behörden haben die Pflegeheime beziehungsweise ihre Betreiber daher auch nichts zu befürchten, denn hier gilt: Eine Hand wäscht die andere. Prima! Das passiert in Pflegeheimen ja sonst eher selten. Was schön ist, hier infiziert sich die Pfleger*innen wenigstens noch mit ihrer Arbeit. Und das war schon vor Corona so. Außerdem werden deutsche Pflegeheime regelmäßig streng kontrolliert durch den sogenannten Pflege-TÜV. Und da erhalten deutsche Heime eine Durchschnittsbewertung von 1,3.

Wie kann es da noch Missstände geben? Ganz einfach, weil zum Beispiel »unzureichende Pflege und Betreuung durch gute Pflegedokumentation ausgeglichen werden« kann. Kein Scherz, das sind die magischen Momente deutscher Bürokratie. Stellen Sie sich so ein System mal beim TÜV vor: Die Bremsen funktionieren nicht, aber wenn der Unfallbericht stimmt, bekommen Sie trotzdem die TÜV-Plakette. Dabei kontrollieren die Prüfer*innen durchaus unabhängig, aber leider nach einem Katalog, den die großen Heimbetreiber und ihre Lobbyisten erstellt haben. Wäre das nicht auch ein tolles Modell für unsere Schulen? Die Lehrkräfte kontrollieren unabhängig und gewissenhaft, aber was als richtige Antwort gilt, entscheiden die Kinder. Frage: »Wann wurde Napoleon geboren?« Antwort: »Nach Jesus Christus und vor Helmut Kohl.« Expert*innen wie etwa der Verfassungsrechtler Alexander Graser sprechen davon, dass im Pflegesystem »die intensivsten und auch quantitativ bedeutsamsten Menschenrechtsverletzungen in Deutschland zu finden sind«. (Auf Platz zwei folgt der Musikantenstadl, aber das dürfte ja bekannt sein). Das schafft doch eine tolle Drohkulisse, wenn wir unseren Eltern mal wieder anbieten, sie bei der nächsten Gelegenheit ins Heim zu stecken.

 

Falls wir Ihnen jetzt vor der nahen Zukunft im Heim Angst gemacht haben und Sie daher lieber erst einmal in die ambulante Pflege fliehen wollen, gibt es jetzt noch einen gut gemeinten Tipp: Vergessen Sie es. Da sieht es auch nicht besser aus. Die Polizei warnt immer häufiger vor betrügerischen russischen Pflegediensten in Deutschland. Um einen höheren Pflegegrad – also damit auch mehr Geld – zu erhalten, werden die Patient*innen geschult, kränker zu spielen, als sie eigentlich sind. Im Fachjargon heißt das »Der ausgebildete Kranke«. Da wird munter der höchste Pflegegrad 5 abgerechnet, doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die Patient*innen lediglich als kleiner munterer Pflegegrad 1. Und wie heißt es so schön über Pflegerad 1: »In Rendite’ ne Niete.« Über 230 Pflegedienste stehen im Verdacht, zusammen mit korrupten Ärzt*innen die Krankenkassen um hunderte Millionen Euro pro Jahr betrogen zu haben. Aber das System lädt ja auch zum Betrug ein, denn hier lässt sich viel Geld verdienen. So kommen auf eine russische Pflegekraft ca. 50 deutsche Patient*innen. Welch Ironie der Geschichte, oder? Ein Russe auf 50 Deutsche! In Stalingrad war der Betreuungsschlüssel genau umgekehrt.

 

 Text: Martin Valenske