22.11.2021

No. 187

Geschichten, die Corona schreibt

Lametta ist ausverkauft. Verschwörungsgläubige schützen damit ihren Weihnachtsbaum vor 5G

Autor: Martin Valenske

 

Die letzen zwei Wochen boten eigentlich wieder viel bühnentaugliches Material für Satiriker*innen. Wirtschaftsfachleute warnen z.B. vor Lieferengpässen. Spielkonsolen, Smartphones und sogar Bücher könnten zu Weihnachten knapp werden. Und das Lametta ist jetzt schon ausverkauft. Verschwörungsgläubige horten es in Massen, um ihren Weihnachtsbaum vor 5G zu schützen. Ebenso schön war die Meldung, dass Friedrich Merz erneut CDU-Bundesvorsitzender werden möchte. Und sollte das wieder nicht klappen, wird er einfach Chef der Jungen Union. Im Vergleich zu Tilman Kuban wäre das sogar echter sozialer Fortschritt. Am Wichtigsten in diesen Zeiten sind aber die Corona-Neuigkeiten. Sicher haben Sie es auch in der Presse gelesen: Das Coronavirus hat sich jetzt mit Alice Weidel infiziert. Da sage ich doch politisch ganz neutral: Hoffen wir das Beste. Nicht, dass aus der Verbindung von Weidel und Corona noch eine neue Mutante entsteht. Alice Weidel hatte aber auch einfach Pech, dass CoVid-19 eine Lungenkrankheit ist. Bei einer Herzkrankheit wäre sie auf der sicheren Seite. Beherzter indes ging es zu im Streit zwischen Frank Ulrich Montgomery, dem Chef des Weltärztebundes und Wolfgang Kubicki, dem Chef des Weltpöbelbundes. Kubicki bezeichnete Montgomery kürzlich als den »Saddam Hussein der Ärzteschaft« und beklagte sich nach dieser wenig versöhnlichen Formulierung ernsthaft über die Spaltung der Gesellschaft! Allein das hätte als lässige Schlusspointe schon völlig gereicht. Humorexperte Wolfgang Kubicki, der »Pinochet der deutschen Comedy« setzte aber noch einen drauf und entschuldigte sich bei Montgomery – kein Witz! – mit den Worten: »Ich habe bei dem Vergleich nicht an den Massenmörder gedacht, sondern nur an dessen Schnurrbart.« Am Beispiel Kubicki sieht man: Corona verursacht schwere Schäden am Gehirn. Vor allem bei Nicht-Betroffenen!

 

Doch ob es all diese schönen Meldungen auf die Bühne schaffen, weiß ich noch nicht. Gestern erhielten meine Ehefreundin und ich von der Corona-Warn-App die rote Karte: »Erhöhtes Risiko« Laut App hatten wir am Vortag engen Kontakt mit einer oder gar mehreren infizierten Personen. Ich überlegte: Wo war ich am Vortag gemeinsam mit meiner Partnerin und habe über einen längeren Zeitraum dicht gedrängt mit vielen fremden Personen gestanden? Wo habe ich also genau das gemacht, was man derzeit absolut nicht tun sollte? Richtig, es war die Schlange vor dem Corona-Testzentrum. Der überstürzten Schließung dieser Zentren vor ein paar Wochen folgte ja diesen Monat die noch weit überstürztere Wiedereröffnung, die sich nicht unbedingt vorteilhaft auf die Organisation eben jener Testzentren ausgewirkt hat. Zeigt Ihnen die Corona-App die rote Karte, dann ist das übrigens wie ein Glückslos in der Tombola. Sie gewinnen einen weiteren kostenlosen Corona-Test und werden dabei sogar zum PCR-Test upgegradet. Wie geil ist das denn bitte? Nach der Warnmeldung sind wir also heute wieder in besagtes Testzentrum, das zweite Mal in drei Tagen. Meine Bitte um eine Zehnerkarte zum Selberausfüllen kam beim Personal auch seuchenmäßig gut an. Ernsthaft besorgt sind wir derzeit aber nicht. Wir standen zwar lange mit vielen Anderen eng beieinander, allerdings war die Warteschlange draußen an der frischen Luft und windig war es außerdem. Wir haben jetzt also kein Corona, sondern eine Lungenentzündung. 

 

Und so harre ich der Dinge, gut gewärmt im heimischen Bett und vertreibe mir die Wartezeit mit Netflix. Sehr zu empfehlen dieses Jahr sind: »Die Welle«, »Outbreak«, »Stirb langsam« und natürlich der romantische Klassiker: »Die Liebe in Zeiten der Corona«.

 


 
Martin Valenske ist zu sehen in: "Dauerstussverkauf" (Soloprogramm) und zusammen mit Henning Ruwe in "2022 - das kann heiter werden".