03.12.2021
No. 188
Alternative Wahlsiege und entlagerte Endlager – Monatsrückblick September
Die Impfkampagne fährt nicht an, die Deutsche Bahn fährt nicht ab, und eine KZ-Sekretärin fährt nicht ein. Und Nigel Farage wird angefahren – trotz Benzinkrise. Verblüffendes im September
Autor: Tilman Lucke
2. September: Sieben Jahre nach 2014 und vierzehn Jahre nach 2007 befindet sich die Bahn wieder im Lokführerstreik – ausnahmsweise pünktlich.
13. September: Jens Spahn ruft eine Impfaktionswoche aus. Bundesweit werden alle Anstrengungen aufgeboten, um die Impfquote zu erhöhen. Unbestätigten Informationen zufolge hatte es zuvor bereits 37 Impfaktionswochen gegeben. Die Bilanz der Aktionswoche sind 517 983 Erstimpfungen – so wenige wie zuletzt Mitte Februar.
13. September: In Vietnam fliehen 15 Menschen aus einem Corona-Hotspot: Obwohl die Ausreise aus ihrer Provinz wegen der hohen Inzidenz verboten ist, verstecken sie sich in einem Kühllaster. Sie erklären, sie hätten aus Angst vor einer Corona-Infektion das Weite gesucht. Wie viele Lungenentzündungen sich die ungezogenen Weggezogenen zugezogen haben, bleibt unerwähnt.
14. September: Nachdem bereits Annalena Baerbock und Armin Laschet im Wahlkampf mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert gewesen waren, plagiiert nun Olaf Scholz dieses Thema und wird ebenfalls beschuldigt, abgeschrieben zu haben. Da er sich an nichts erinnern kann, muss er keine Folgen fürchten.
16. September: Facebook sperrt die Seiten der „Querdenker“. Die Beziehung der beiden ist seitdem „kompliziert“: auf der einen Seite das fragwürdige Netzwerk, das von Fake News lebt, in dem sich Irre aller Art tummeln und dessen Chef sich auf Kosten seiner Anhänger bereichert – und auf der anderen Seite die Querdenker.
17. September: Die Bundesregierung kündigt an, das geplante Endlager in Gorleben zuzuschütten. Mit Geld.
26. September: Die AfD ist der große Gewinner der Bundestagswahl. Zumindest in der eigenen Wahrnehmung: Von 12,6 auf 10,3 Prozent – der Fachbegriff dafür ist „alternativer Wahlsieg“. Minus mal Minus gibt Plus, nach dieser Rechenregel stellt die AfD auch regelmäßig ihre Doppelspitzen auf. Alice Weidel argumentiert, die Stimmen für die Freien Wähler und die „Basis“ (jeweils plus 1,4 Prozent) müssten eigentlich der AfD zugeschlagen werden. So gesehen, liegt die AfD nahe bei hundert Prozent, wenn man alle anderen Parteien ihr zurechnet. Schließlich hatte bereits Hitler 1933 beim Ermächtigungsgesetz die Stimmen der Kommunisten – die aus irgendwelchen Gründen bei der Reichstagssitzung nicht anwesend waren – einfach als Stimmen für sein Gesetz gezählt. Alice Weidel lernt eben von den Besten.
26. September: Die SPD gewinnt die Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Mit 21,4 Prozent ist sie die schwächste stärkste Partei in der Geschichte bundesdeutscher Landtagswahlen. Spitzenkandidatin Franziska Giffey hatte mit dem Slogan „Regieren geht über Studieren“ erfolgreich die bildungsfernen Schichten angesprochen. Die rot-grün-rote Regierung einigt sich wegen des großen Erfolges auf eine Fortsetzung. Die Wahl selbst ist von zahlreichen Pannen überschattet: Vielerorts gilt nicht nur für die Bezirkswahl, sondern auch fürs Abgeordnetenhaus und die Bundestagswahl das Wahlrecht ab 16. Wegen knapper Ergebnisse droht in einigen Wahlkreisen eine Wiederholung der Wahl. Ob der Marathon auch wiederholt werden muss, steht noch nicht fest.
28. September: Wegen der Versorgungskrise werden in Großbritannien inzwischen Soldaten als Tanklastfahrer eingesetzt. Die Führerscheine werden unbürokratisch umgeschrieben. „Tank“ heißt ja Panzer.
29. September: Die Jugend schwänzt immer häufiger: Vor der Jugendkammer in Itzehoe platzt ein Prozess, weil die Angeklagte entflohen ist. Es handelt sich um eine 96-jährige ehemalige KZ-Sekretärin.
29. September: Die AfD-Fraktion bleibt sich treu und verliert bereits drei Tage nach der Wahl ihren ersten Abgeordneten.
30. September: Brexit-Blödelbarde Nigel Farage wird von einem Lieferwagen angefahren. Im Kreisverkehr. Eine schöne Metapher für den Verursacher der größten politischen Sackgasse des Jahrhunderts. Farage war zu Fuß auf den Straßen unterwegs gewesen, weil er auf der Suche nach Benzin mehrere Tankstellen abgeklappert hatte. Deshalb und wegen der Verletzung bleibt sein Auto vorerst in der Farage. Zum Glück war der Lieferwagen leer gewesen – dank dem Brexit.