10.06.2022
No. 214
Traumberuf Frontsoldat
Autor: Martin Valenske
Diese Woche hat sich die Bild-Zeitung mal wieder von ihrer besten Seite gezeigt. Den Tod eines deutschen Freiwilligen in der Ukraine betitelte sie mit der Überschrift »JETZT TÖTETE IHN EINE RUSSEN-GRANATE«. Was ist denn bitte eine Russen-Granate? Ist das die große Schwester vom Polen-Böller? Auf jeden Fall ist Russen-Granate ein echt schönes Wort – früher haben damit Bordelle ihre Mitarbeiterinnen beworben. Und überraschend ist diese Form der sogenannten Berichterstattung auch nicht wirklich, schließlich ist die Bild ja keine Zeitung, sondern eher eine Art ausgedruckter Telegram-Kanal ohne Rechtschreibfehler.
Um die Kraft formvollendeter Formulierungen weiß man aber auch andernorts. Laut BBC wirbt Russland jetzt neue Soldaten an mit großartigen Versprechen wie z.B. tollen »Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung«. Das ist doch mal eine echte Killer-Phrase, so geht Rekrutierung heute. Normalerweise kennt man solche Formulierungen nur aus den angestrengt hippen und coolen Stellenanzeigen urbaner Start-ups. Womit will die russische Armee dann eigentlich noch punkten? Mit einer ausgeglichenen War-Life-Balance, der Möglichkeit, spannende Menschen zu treffen und flachen Hierarchien? Es bleibt allerdings schon die Frage: Was muss man für ein ausgewiesenes Arschloch sein, wenn man sich in einem illegalen, illegitimen und brutalen Angriffskrieg selbst verwirklichen will?
Um an neue, frische und unverbrauchte Soldaten zu kommen, hat das russische Parlament kürzlich auch die Altersgrenze für Vertragssoldaten aufgehoben, die bisher bei 40 Jahren lag. Und zwar mit einer durchaus kreativen Begründung: »Für den Einsatz von hochpräzisen Waffen […] werden hochprofessionelle Spezialisten benötigt. Erfahrungsgemäß besteht die Spezialisierung im Alter von 40 bis 45 Jahren.« So ein Humbug. Mit 45 hat man keine Spezialisierung, mit 45 hat man Rücken! Nun jedenfalls können in Russland alle Menschen im arbeitsfähigen Alter, d.h. bis 65 Jahren, in den aktiven Dienst versetzt werden. Da hat Präsident Putin mit seinen 69 Jahren ja noch mal Glück gehabt.
Martin Valenske ist zu sehen in: "Dauerstussverkauf" (Soloprogramm) und zusammen mit Henning Ruwe in "2022 - das kann heiter werden".