22.03.2019
No. 46
Das große Brexit-ABC – von A wie „am Arsch“ bis L wie „Labour-Partei“
Jetzt schickt sie uns auch noch in den April! Was Sie schon immer am Brexit nicht verstanden haben – hier auch nicht verständlicher, aber immerhin alphabetisch geordnet. Und damit das einzig Geordnete am ganzen Brexit. Lesen Sie heute die erste Hälfte (A bis L) und nächste Woche die Fortsetzung – aber welche Buchstaben dann dran sind, wird noch nicht verraten!
Autor: TILMAN LUCKE
A wie am Arsch: Frankreich ist „En marche“; die Insel ist sogar schon einen Schritt weiter. Und verhält sich gegenüber der EU ass hole as possible.
B wie Bercow, John: der inzwischen berühmte „Speaker“ (eigentlich Shouter) des Drunter- und Drüberhauses, dessen Debatten eher wie eine sich täglich wiederholende Pubschlacht anmuten. Bei seinen Pubkameraden als „Remainer“ gefürchtet.
C wie Cameron, David: Der Premierminister gewann 2010 und 2015 zwei Parlamentswahlen mit Anti-EU-Kampagnen, „führte“ dann aber einen halbherzigen Wahlkampf auf der Pro-EU-Seite. Um seine Hinterlassenschaft kümmert sich heute die Trümmerfrau Theresa →May. Damit hat Cameron zum zweiten Mal nach seiner Studienzeit in Oxford (#Schweinskopf-Gate) richtig Schwein gehabt. Seither hat sich die lebensfrohe Chaosursache ins Private zurückgezogen, kann sich an nichts erinnern und jobbt deshalb – leider wahr – als Präsident der britischen Alzheimer-Gesellschaft.
D wie doppelter Windsorknoten: sinnbildliche Darstellung des Brexit-Kuddelmuddels: Die Briten haben ihn am Hals, er ist bindend, und die Schlinge zieht sich langsam zu.
E wie Empirie: kommt von Empire und bedeutet: zählen, wie oft etwas klappt und wie oft nicht. Ist bei einem Experiment wie dem Austritt aus der EU, der sich nur ein einziges Mal durchführen lässt, relativ sinnlos.
F wie Farage, Nigel: Der Chef der Unabhängigkeitspartei UKIP faragte die Briten 2016 mit seiner Fake-News-Kampagne gegen die EU und traf damit den Nigel auf den Kopf. Eine Woche nach dem Referendum räumte er seinen Posten und war damit der erste Parteichef der Weltgeschichte, der wegen Erfolgs zurücktrat. Inzwischen hat er die Partei verlassen – wie sechs weitere von zehn bisherigen Vorsitzenden.
G wie Gottschalk, Thomas: Nach Wetten-dass-Aus und Waldbrand („Werbespruch: Malibu macht Häuser zu und Garagen ebensu!“) trennt sich das stilsichere Gummibärchen nun auch noch von seiner Frau. Bei der Wahl zur „Trennung des Jahres“ bleiben allerdings sowohl die Gottschalks als auch Amazon-Jeff Chef Bezos chancenlos: Der Brexit ist und bleibt die teuerste Scheidung der Weltgeschichte. Gottschalk, der auf seiner Odyssee durch die Fernsehsender nun endgültig beim Sendeplatzhospiz Bayerischer Rundfunk gelandet ist, hatte immer schon die richtigen Worte für eine verlorene Wette, wie sie das Brexit-Referendum war: „Tja, mein Lieber, es hat nicht sollen sein!“
H wie House of Lords: Britisches Oberhaus, eher europafreundlich. Hat bei der ganzen Sache leider nur die Perücke, aber nicht den Hut auf.
I wie I: Das Englische ist die einzige →Sprache der Welt, die das Wort für „ich“ groß schreibt.
J wie Johnson, Boris: Schriebe Oscar Wilde eine Farce über die englische Politik, wäre jemand wie der Oberbrexiteer ungefähr Außenminister. Genau dies wurde er im ersten Kabinett →May. Im Juli 2018 machte er jedoch den Merz und verschwand zum Geldverdienen in die Privatwirtschaft, in seinem Fall in den Journalismus. Der Begriff „Lügenpresse“ ist nicht immer unangebracht.
K wie Kolonie: Ironischerweise werden dem Weltreich außer Dienst nun die Reste seiner allerersten Kolonie zum Verhängnis: Nordirland. Was als Jugendsünde vor genau 850 Jahren mit der Eroberung durch Heinrich II. begann und 1922 mit der südirischen Unabhängigkeit nicht endete, hebt bald möglicherweise ein ganzes Volk aus den Angeln und Sachsen, weil man sich über die grüne Grenze auf der grünen Insel alles andere als grün ist. Die Republik Irland, 1973 gemeinsam mit Großbritannien der EG beigetreten, steht heute übrigens dank erfolgreicher EU-Integration glänzend da. Liebe Engländer, bitte zu Hause nachmachen!
L wie Labour-Partei: Die Oppositionspartei beschloss auf ihrem letzten Parteitag wörtlich: „Wir unterstützen alle verbleibenden Optionen.“ Wir lernen erstens: Labour ist wirklich die britische SPD. Zweitens: Wer sie wählt, kann richtig Einfluss nehmen, und zwar auf alle Optionen gleichzeitig. Und drittens: Für ein Land im Chaos ist es nur bedingt hilfreich, wenn gleichzeitig mit der schlechtesten Regierungschefin aller Zeiten auch noch der schlechteste Oppositionsführer der Geschichte amtiert.
Tilman Lucke ist zu sehen in: "frisch gepresst. Politcomedy-Late-Night", "Zwei Päpste für ein Halleluja" und in seinem Soloprogramm "Verdummungsverbot".