26.02.2020

No. 94

Gruppenrabatt für Einzeltäter

Wie der Presse zu entnehmen war, litt der Attentäter von Hanau unter anderem an »akustischen Halluzinationen«, d.h. er hat Stimmen gehört. Geprüft wird derzeit, ob es die Stimmen von Björn Höcke oder Alice Weidel waren.

Autor: Martin Valenske 

 

 

Wieder hat es in Deutschland einen tödlichen rechtsradikalen Anschlag gegeben. Und wieder macht die Bewertung des Anschlags stutzig. Während bei Gewalttaten mit islamistischem Hintergrund sofort von Terror gesprochen wird, gelten rechte Attentäter automatisch als psychisch krank. Das ist verwunderlich. Immerhin glauben Islamisten, mit ihren Anschlägen u.a. Europa, die USA, Russland und China in die Knie zwingen zu können und dafür mit 72 Jungfrauen belohnt zu werden. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der solche Menschen als geistig normal gelten.

Hoffentlich schaffen es Politik, Polizei und vor allem die Gerichte nach diesem Anschlag endlich mal, die politische Gesinnung rechter Gewalttäter*innen klar zu benennen. Denn normalerweise ist es doch so: Findet man bei Tatverdächtigen einschlägiges Neonazi-Merchandise, z.B. CD’s der Rechtsrock-Bands »Die faschistischen Vier«, der »Zillertaler Türkenjäger« oder der »Braunen Stadtmusikanten«, dann gilt dies juristisch als schlechter Musikgeschmack, keinesfalls aber als Ausdruck einer rechtsradikalen Gesinnung. (Schlechter Musikgeschmack ist bekanntlich nicht justiziabel, sondern Grundlage unserer Unterhaltungsindustrie.) Wenn man dann noch auf die Mär vom Einzeltäter verzichten könnte, wäre das ein echter Fortschritt. So genannte Einzeltäter haben wir mittlerweile genug. Im Kino bekommen die schon einen Gruppenrabatt.

In der TAZ war zu lesen, der Attentäter von Hanau Tobias R. hätte »eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie mit sehr bizarren Wahninhalten und akustischen Halluzinationen«, d.h. er hat Stimmen gehört. Geprüft wird derzeit, ob es die Stimmen von Björn Höcke oder Alice Weidel waren. Schließlich hat er in seinem Manifest rechtsextreme Verschwörungstheorien verbreitet, die sich so auch in Beiträgen von AfD-Politiker*innen finden. Stichwort »Umvolkung« bzw. »Bevölkerungsaustausch«. Trotzdem war Tobias R. kein gewöhnlicher rechter Attentäter. In seinem Manifest behandelte er auch die Themen Außerirdische, Zeitreisen und das laut Berliner Morgenpost sogar »orthographisch fehlerfrei«. Wenn sich ‚normale‘ Rechtsradikale äußern, sind die Themen eher unterirdisch, von gestern und die Rechtschreibung lässt vermuten, dass die nächste Bücherverbrennung eine Dudenvernichtung wird.

Überraschenderweise hat der Anschlag von Hanau sowie der anschließende Suizid des Täters vor allem die AfD in die Bredouille gebracht. Logisch. Der knappe Wahlausgang in Hamburg hat es mal wieder gezeigt: Jede Wählerstimme zählt. Laut Umfragen gibt eine Mehrheit von 60% der Deutschen der AfD eine Mitverantwortung für die zunehmende rechte Gewalt. Die Partei zeigt sich daraufhin sogar reumütig. Alexander Gauland möchte verbal abrüsten und gibt zu: »…auch wir haben uns manchmal in der Wortwahl vergriffen«. Parteichef Tino Chrupalla stellt in einem offenen Brief an die Parteimitglieder die Frage, »warum es der politische Gegner so einfach hat, uns in diese Ecke zu stellen« und erklärt weiterhin völlig ernsthaft: »Wer sich rassistisch und verächtlich über Ausländer und fremde Kulturen äußert, handelt ehrlos und unanständig und damit gegen Deutschland und gegen die AfD.« Das sind doch alles Zeichen der Hoffnung! Wenn es so weitergeht, dauert es nur noch ein paar dutzend Attentate bis Björn Höcke twittert »Ich liebe doch alle Menschen«, sich Jörg Meuthen »Nazis raus« auf die linke Arschbacke tätowieren lässt und Beatrix von Storch die Umbenennung der AfD beantragt: »Antifaschisten für Deutschland«

 

 


Martin Valenske ist zu sehen in: "Ruwe & Valenske: Unfreiwillig komisch" und  "Ruwe & Valenske: Wir haben genug".