19.11.2018
Verspätuum mobile I
Teil 1: 25 Jahre und kein bisschen pünktlich
Folge 32
Die Bahn wird 25, dazu steht bald wieder der alljährliche Fahrplanwechsel an – und natürlich die jährliche Fahrpreiserhöhung. Denn klar, wenn die Bahn immer länger braucht, muss natürlich auch der Preis steigen.
An manchen besonders schönen Strecken könnte der Konzern sogar Kurtaxe erheben, wenn der Zug mal wieder auf freier Strecke im Grünen hält. Wegen Platten, Böschungsbränden, Störungen im Betriebsablauf (welcher Betriebsablauf?) oder weil Baum.
Autor: TILMAN LUCKE
Kabarettisten fahren oft mit der Bahn. Nicht, weil sie unbedingt darauf angewiesen wären. Zu Fuß, per Anhalter oder durch die Kontinentalverschiebung wäre man oft schneller und zuverlässiger am Auftrittsort. Aber das für die Bühne benötigte Adrenalin lässt sich durch eine Bahnfahrt besonders effektiv ausschütten – immer verbunden mit der spannenden Frage: Schaffe ich es rechtzeitig, oder muss die Vorstellung erst „einige“, dann „5“, schließlich „120 Minuten verspätet“ angekündigt werden und schlussendlich ganz ausfallen? Eine Absage ist übrigens meist nicht so schlimm, da auch die Zuschauer mit der Bahn anreisen. Bei Bahnstreiks blickt man zuweilen neidisch auf die Kollegen, die eine Bahncard 100 besitzen. Bei denen streikt die Bahn nicht. Apropos: Wann bereichert eigentlich mal wieder ein Bahnstreik das Verspätungsausredenbingo?
Vor einem Jahr startete die Schnellverbindung zwischen Berlin und München, die mit dem Slogan „Unter vier Stunden“ warb. Und das war völlig korrekt, denn die Zeitangabe bezog sich auf die Verspätung, die tatsächlich fast immer unter vier Stunden blieb.
Bei allem Gemecker sei festzuhalten: Die Bahn in Deutschland ist bereits über 180 Jahre alt. Manchen Zügen und Zugbegleitern sieht man es noch an. Am 7. Dezember 1835 zuckelte die erste Dampflok über die Gleise. Historiker rätseln immer noch, wie das möglich war, denn der 7. Dezember liegt bekanntlich mitten im Winter, wieso sollen da Züge fahren? Aber es ging irgendwie. Und Anfang Dezember ist bekanntlich immer dieser komplizierte Fahrplanwechsel, das muss also damals ein riesiges Chaos gewesen sein. Von flächendeckendem Schienennetz konnte damals übrigens keine Rede sein: Hinter Nürnberg war Schluss. Also genau wie heute noch gelegentlich zwischen Berlin und München.
Die Vorgängerinnen der DB waren im Westen die (immer noch von manchen Leuten, die wenig fahren, aber viel motzen, so genannte) Bundesbahn und im Osten die Reichsbahn, die noch so hieß, weil nur diese laut der Vorkriegsverträge die S-Bahn in West-Berlin betreiben durfte. Beide gehörten ihrem jeweiligen Staat, hatten noch keine Börsenpläne und waren pünktlicher. Allerdings war früher nicht alles besser: Damals gab es auch noch kein WLAN.
PS: 1835 fuhren aus Nürnberg übrigens täglich zwei Züge aus, der Rest des Fahrplans wurde durch Pferdewagen komplettiert. Vielleicht wäre das eine Lösung?
Tilman Lucke ist zu sehen in: "frisch gepresst. Politcomedy-Late-Night" und in seinem Soloprogramm "Verdummungsverbot".