Ellen Tiedtke

An unsere ehemalige Schauspiel-Kollegin Ellen Tiedtke sendet das gesamte Team der DISTEL heute, am 16. März, allerherzlichste Gebutstagsgrüße!


Ellen Tiedtke arbeitete von 1957 bis 1964 an der DISTEL - und spielte in diesen Programmen:

Wohin rollst Du, Erdäpfelchen? | Liebe und Raketenbasen | Blick zurück nach vorn (5 Jahre Distel) | Kein Platz für milde Satire | Berlin ist – wenn man trotzdem lacht! | Lach matt | Greif zur Frohkost Kumpel! | Jetzt hat's geklingelt! | Ach du meine Presse | Der rote Feuerwehrmann (Sonderprogramm - Eine Kabarett-Revue) | Nahtlose Trümpfe | Die Macht ist nicht allein zum Schlafen da! | Vom Montmartre zum MontKlamott | Spargang 63 | Wir stoßen an (10 Jahre Distel - Reprisenprogramm)


Darunter sind Inszenierungen 

- in der Regie von:

Wolfgang E. Struck, Ernst Kahler, Robert Trösch, Otto Tausig, Erich Brehm, Gerd E. Schäfer, Horst Bonnet, Hubert Hoelzke – u.a.

- mit Texten von:

Erich Brehm, Michael Friedrich, Jurek Becker, Eckehard Dölle, Heinz Draehn, Hans Harnisch, Lothar Kusche, Ladislaus Palasti, Manfred Bartz, Ernst Kahler, Hans Rascher, Gerd E. Schäfer, Werner Schall, Martin Schreiber, Hansgeorg Stengel, Rudolf Bernauer, Edy Beuth, Bertolt Brecht, Erich Brehm, George Courteline – u.a.

- mit Schauspielerinnen und Schauspielern wie:

Gerd E. Schäfer, Ingrid Ohlenschläger, Hanna Donner, Gina Presgott, Heinz Draehn, Herbert Köfer, Werner Lierck, Werner Röwekamp, Gustav Müller, Otto Stark, Karl Heinz Oppel, – u.a.


 

ELLEN TIEDTKE

„Hygiene! Hygiene!
Sauberkeit ist Trumpf!
Mensch, Paula reich die Butter her,
sie liegt auf meinem Strumpf."

Mit diesem Refrain begeisterte Ellen Tiedtke als „HO-Verkäuferin" am 9. Juni 1953 das Publikum in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal im Cottbuser „Haus der Freundschaft". Es war die Premiere des kurz zuvor gegründeten Kabaretts „Stichlinge". Walter Niklaus, Oberspielleiter am Cottbuser Theater, hatte Texte geschrieben, drei junge Schauspieler sowie einen klavierspielenden Dramaturgen um sich geschart, intensiv geprobt und so der Stadt Cottbus das erste politische Kabarett überhaupt beschert. „Aufgewacht" hieß das Programm in den politisch brisanten Tagen des „Neuen Kurses" und des „Volksaufstands vom 17. Juni".

Und mit „kodderigem Mundwerk, das an Lotte Werkmeister erinnerte", so damals ein Rezensent, gab Ellen Tiedtke ihr Debüt als Kabarettistin. Sie hatte ein Jahr zuvor am Cottbuser Theater ihr erstes Engagement nach der Schauspielschule angetreten. Dort war sie sogleich Publikum wie Presse in ihrer Rolle als Bäuerin Armgard in Schillers „Wilhelm Tell" mit einem „hinreißenden Ausbruch" aufgefallen. In den „Neuesten Nachrichten" vom 10.09.1952 ist zu lesen: „Hier kündet sich eine ungewöhnliche Begabung an!"

Die Rezensentin sollte Recht behalten. Die 1930 im ostpreußischen Bischofsburg geborene und in Schwerin aufgewachsene Tochter eines Molkereidirektors wollte schon als Kind ans Theater. Nach dem Abitur ging sie zur Schauspielschule und wurde anschließend kurzerhand von Intendant Konrad Gericke engagiert. In Cottbus spielte sie drei Jahre lang ernste und heitere Rollen, bis sie für ein Jahr ans Theater nach Frankfurt an der Oder wechselte. Von dort aus ging es mehr durch Zufall zum Kabarett – zunächst zur „Leipziger Pfeffermühle" und anschließend an die Berliner „Distel". Hier wurde sie neben Gerd E. Schäfer zum Star der Unterhaltungskunst, auch dank der Einfälle ihres Ehemanns Hans Rascher, dem wohl besten Textautor des DDR-Kabaretts.

Ab 1965 folgten zunächst weitere erfolgreiche Jahre als Schlagersängerin („Fahr doch allein Karussell") und Entertainerin im Fernsehen und in den Kulturhäusern der DDR. Die politisch-bissigen Texte von Hans Rascher und deren provozierende Interpretation brachten Ellen Tiedtke mehrfach Ärger mit den Funktionären, der bis zum Auftrittsverbot durch die Konzert- und Gastspieldirektion führte. Erst 1976 gab ihr Wolfgang E. Struck, Intendant des Berliner Friedrichstadtpalastes und ein guter Freund aus „Distel"-Zeiten, durch ein Engagement in der Revue „Das war's" eine neue Karrierechance. Im Friedrichstadtpalast begeisterte sie mit Liedern von Claire Waldoff und spielte sich anschließend in insgesamt zehn Kinderrevuen, u.a. mit Clown Ferdinand, in die Herzen der Kinder.

Und es blieben die Kinder, die das künstlerische Schaffen von Ellen Tiedtke in den 1980er Jahren bestimmten. Als „Ellentie", einer alterslosen Person ohne erhobenen Zeigefinger, wurde sie mit phantasievollem Spiel von 1983 an bis zum Ende des DDR-Fernsehens im Dezember 1990 für tausende Kinder Ansprechpartner, Freundin, Ebenbild und Vertraute. Noch heute erreichen die beliebte Schauspielerin – die Leser der Fernsehzeitschrift „FF-dabei" wählten sie zweimal zum Fernsehliebling – liebevolle Briefe von ihren Verehrern aus dieser Zeit. Einige dieser Briefe hat Ellen Tiedtke aufgehoben. Und wenn sie dann vorliest, was ihr damals, 1986, der 9-jährige Danny aus Senftenberg mit krakeligen Buchstaben geschrieben hat – „Liebe Ellentie! Ich möchte dich gern heiraten, weil du genau mein Fall bist. Ich hab dich sehr lieb. Dein Danny. Du musst mir aber auf alle Fälle schreiben, auch wenn du schon einen Danny hast." – ja, dann leuchten ihre Augen.

Autor: Jürgen Klammer