Astrid Brenk
Resümee nach der ersten Spielzeit an der DISTEL - ein Gespräch:
Frau Brenk, Sie sind jetzt fast 1 ½ Jahre Geschäftsführerin der Distel. Haben Sie sich eingelebt?
Das Einleben wurde mir von meinen Kollegen sehr leicht gemacht und ich bin angekommen. Mein Vorgänger, Dirk Neldner, hat gute Arbeit geleistet, so dass ich auf einem guten Level beginnen konnte. Die Aufgaben hier sind sehr vielfältig, so dass nie Langeweile aufkommt. Wir sind ja ein kleines Team, um die 20 fest Beschäftigte, da findet man schnell zu jedem Kontakt, steht aber auch selbst sehr schnell auf dem Prüfstand.
Man wird als neue Chefin zunächst gecheckt: wie ist ihr Leitungsstil, welche Prämissen setzt sie, was kann sie denn überhaupt? Das ist legitim und muss letztendlich auch so sein.
Ob ich den TÜV bestanden habe, müssen Sie allerdings meine Mitarbeiter fragen.
Ich bin seit meiner Schulzeit und auch durch meine Studienwahl -Theater- und Kulturwissenschaft- sehr kunstinteressiert und habe bisher 26 Jahre direkt am Theater gearbeitet, so dass es mir nicht schwer fällt, mich in die einzelnen Prozesse einzuarbeiten und, was noch viel wichtiger ist, ein zu fühlen.
Was unterscheidet Kabarett - Theater von Stadt – oder Staatstheatern?
In der Tat, es gibt wirklich einen Unterschied in der Art und Weise des Produzierens.
Im Theater hat man im Allgemeinen ein fertiges Stück oder ein Libretto und die dazu gehörende Musik. Im Kabarett wird alles neu erfunden und bis zur Voraufführung auch noch verändert Es gibt einen Headwriter und viele weitere Autoren, hinzu kommen Komponisten, die auch arrangieren und Liedtexte schreiben. Die Distel ist übrigens das einzige Berliner Ensemblekabarett, das mit live Musik arbeitet.
Bezahlt wird erst nach der Premiere, wenn wirklich sicher ist, welche Texte und Lieder gespielt werden. Während der Laufzeit der Programme, durchschnittlich 1,5 Jahre, wird ständig verändert, den aktuellen politischen Ereignissen angepasst. Da unsere Zeit sehr schnelllebig und das politische Verfallsdatum hoch ist, treffen sich die Darsteller oftmals kurz vor der Vorstellung und studieren neue Texte ein. In der Besucher -Beliebtheitsskala ganz oben steht allerdings nach wie vor „Mutti Merkel“, das ist eine Konstante und sichere Bank.
Wie kommen Sie damit zurecht, dass die Distel keine Subventionen erhält?
Alles hat zwei Seiten: die gute Seite ist, dass wir das Geld, das wir verdienen, dafür ausgeben können, wofür wir denken, dass es ausgegeben werden sollte – vollkommen ohne staatliche oder städtische Kontrolle und das seit 1990.
Die schlechte Seite ist, dass wir das Geld auch selbst verdienen müssen. Es gibt keine Subventionen, keine Förderung und keiner übernimmt ein Minus in der Kasse.
Das heißt, wir sind zum Erfolg verdammt. Das hat wiederum eine Gratwanderung zwischen unserem politischen Anspruch und dem Unterhaltungswert unserer Programme zur Folge. Bisher ist uns dieser Balanceakt gut gelungen und wir versuchen, unser Publikum immer mitzunehmen, Veränderungen langsam durchzusetzen..
Eine ganz gute Geldquelle sind die vielen Gastspiele, die wir jährlich in ganz Deutschland und im deutschsprachigen Ausland zeigen. Man kann schon sagen, dass die Distel, die in 2018 schon 65 Jahre auf dem Buckel hat, nach der Wende als gesamtdeutsches Kabarett angenommen wird. Wobei mir vollkommen unbegreiflich ist, warum uns von einigen Journalisten mitunter eine gewisse „Ostigkeit“ nachgesagt wird.
Was mich besonders freut ist, dass sich unsere Spielbein (Anmerkung der Redaktion: Das Standbein ist die Distel Bühne), dass Distel Studio seit 2013 außerordentlich gut entwickelt. Neben Gastspielen fördern wir insbesondere das junge Kabarett, zielen auf Publikumsnachwuchs und das ist meines Wissens in Berlin einmalig.
Wollen Sie etwas zu Ihrer Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Leiter, Dominik Paetzholdt, sagen?
Karl Valentin hat einmal gesagt: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.
In dieser Hinsicht ticken wir beide gleich, halbe Sachen gibt es für uns nicht und unser Beruf ist zugleich unser Hobby. Um es etwas konkreter zu sagen, wir arbeiten Hand in Hand, besprechen häufig, sowohl Künstlerisches als auch Finanzielles. Und, obwohl Dominik eine Generation jünger ist als ich, lerne ich von ihm als „Spezialist für das bissig Komische“ viel über das Genre Kabarett.
Wir können uns sehr gut zusammen freuen, aber auch sehr gut produktiv miteinander auseinandersetzen. Und, was wir bisher gemeinsam auf die Beine gestellt haben, muss sich nicht verstecken, so viel Eigenlob muss möglich sein...
Was war bisher Ihr schönstes Erlebnis im Kabarett?
Da gibt es mehrere. Ich freue mich sehr, wenn mir Besucher sagen, wie gut es Ihnen gefallen hat. Gleichermaßen finde ich es wichtig, wenn Besucher Kritik äußern – denn nur über den unmittelbaren Kontakt mit unseren Gästen finden wir heraus, in welche Richtung wir marschieren müssen. Sehr berührend war für mich in der jüngsten Vergangenheit die Freude von Timo Doleys als er sein 10 –jähriges Bühnenjubiläum hatte. Die Kollegen Schauspieler und Musiker sangen im Anschluss an eine Vorstellung ein selbstgetextetes Lied und ich gratulierte ihm vor dem Publikum. Und ganz privat habe ich mich im Januar, zu meinem runden Geburtstag sehr gefreut, mit wie viel Liebe meine Kollegen Geschenke ausgesucht und mit mir gemeinsam angestoßen haben.
Was hingegen war Ihre negativste Erfahrung?
Wissen Sie, ich bin ein optimistischer Mensch und mich bringt so leicht nichts aus der Fassung. Aber sehr schwierig war es für mich abzuwägen, ob wir nach den Anschlägen in Frankreich und danach überall auf der Welt, am selben Abend Kabarett spielen. Wir haben uns dann gemeinsam mit den Schauspielern und dem künstlerischen Leiter entschieden, es zu tun. Und dieser Entschluss war genau der Richtige.
Die Darsteller haben eine Ansage gemacht, ein Gedicht verlesen und wir alle merkten, dass „Je suis Charlie“ nicht nur eine Floskel ist; es entstand eine Brücke, von der Bühne ins Publikum.
Was wünschen Sie sich für die Distel?
Allzeit scharfzüngige Autoren und Liedtexter, die für das Ensemblekabarett schreiben.
Immer volle Säle und mehr junges Publikum im Auditorium.
Keine Kranken im Ensemble.
Und last but not least weiterhin eine deutsche und internationale Politik die es lohnt, auf´s Korn zu nehmen.
Denn, Lachen ist die schönste Art, Zähne zu zeigen.
Vielen Dank, Frau Brenk.
© Marlies Kross