Tilman Ritter
Kompositionen und musikalische Einspielung von "Wohin mit Mutti?"
Wie lange vor der Premiere von „Wohin mit Mutti?“ hast du begonnen an der Musik zu arbeiten und Songs zu komponieren?
Mit dem Komponieren zu „Wohin mit Mutti?“ habe ich direkt begonnen, als ich das Textbuch inklusive der Songtexte zugeschickt bekam, also ungefähr sechs Wochen vor der Premiere des Stückes.
Wie kommen dir Ideen, was von dir komponierte Songs angeht? Spontan oder musst du viel überlegen?
Die ersten Ideen bekomme ich meistens durch die Songtexte, die mir zugeschickt werden. Beispielsweise geht es ja bei dem „Riethmüller-Song“ um ein durchschnittliches Ehepaar, Familie Riethmüller, das plötzlich zu Geheimagenten wird. Hier lag es daher nahe, die Musik wie einen James Bond-Titelsong zu gestalten.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Regisseur?
Die Zusammenarbeit mit Dominik, dem Regisseur, verläuft sehr gut. „Wohin mit Mutti?“ ist bereits das dritte Programm, an dem wir gemeinsam arbeiten. Dominik und ich sind auf einer Wellenlänge, was Musik und Humor angeht.
Anfangs bist du der einzige Musiker bei den Proben und übst die Songs mit den Schauspielern ein. Wann beginnt die Zusammenarbeit mit Falk Breitkreuz, dem Klarinettisten, Saxophonisten und Schlagzeuger der DISTEL?
Falk kommt erst dazu, wenn die Schauspieler ihre Stimmen einigermaßen beherrschen. Am Anfang der Proben würde seine Anwesenheit noch keinen Sinn machen, da geht es erstmal darum die Melodien zu lernen und die beste Tonart zu finden. Zu einigen Liedern habe ich mir bereits überlegt, welche Musik Falk spielen könnte. Genaueres zu den einzelnen Songs entwickeln wir aber gemeinsam und entscheiden, welches Instrument und welche Musik er spielen wird.
Wie viele Proben braucht es, bis Musiker und Schauspieler die Songs beherrschen?
Die musikalischen Proben dauern bis zum Tag der Premiere. Je nachdem, wie spät die letzten Texte kommen, die wir vertonen, werden auch die Songs bis zur letzten Minute geprobt, damit alles perfekt sitzt. Anfangs üben wir die einzelnen Lieder ja nur am Klavier. Schwieriger wird es, wenn es auf die Bühne geht. Dort müssen die Schauspieler in verschiedenen Situationen agieren, die Lieder singen und die Choreografie im Kopf behalten. Gegen Ende der Proben entwickelt sich schließlich das endgültige Arrangement mit den Mikrofonen und dem Sound, der bis zum letzten Tag perfektioniert wird.
Gibt es erfahrungsgemäß auch kurz vor der Premiere noch wesentliche Änderungen, was die Musik betrifft?
Ja, es kann schon passieren, dass bestimmte Songs einfach nicht funktionieren oder man kurz vor knapp noch eine gute Idee bekommt, die eingebaut wird. Auch die Zugaben für die Programme entstehen meist sehr spät. Allerdings sollte das Wichtigste schon vor der Premiere stehen, da wir vor der eigentlichen Premiere immer mehrere Voraufführungen haben. Dort lässt sich dann anhand der Reaktion im Publikum gut erkennen, welche Szenen und Songs funktionieren und welche eher nicht. Teilweise mussten wir in diesen wenigen Tagen noch sehr viel umstellen und verändern. Gerade während der Voraufführungen bekommt das Programm also seinen letzten Schliff.
Hast du schon einmal für den Papierkorb gearbeitet?
Ja. Dass bestimmte Lieder letzten Endes nicht verwendet werden, gibt es immer mal wieder, das kommt vor. Oft werden Songs auch gekürzt. Dass Ideen verworfen werden, ist bei dieser Arbeit nichts Seltenes.
Wie lange komponierst du bereits Theatermusik? Wie bist du dazu gekommen?
Meine erste Bühnenmusik habe ich in der achten Klasse für unser Schultheater geschrieben, das war ein Song für Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“. Mit dem Komponieren habe ich also schon während der Schulzeit begonnen. Nach der Schulzeit habe ich Komposition (Filmmusik) studiert und hauptsächlich für Filme und Kunstinstallationen komponiert. Während des Studiums habe ich also wenig für das Theater geschrieben. Bald darauf habe ich wieder vermehrt für das Theater komponiert und viel mit meinem Bruder, dem Regisseur Niklas Ritter, zusammengearbeitet.
Seit wann arbeitest du für die DISTEL?
An der DISTEL habe ich im Jahr 2008 angefangen, zunächst im Programm „Hotel Heimat“ als Vertretung für Bernd Wefelmeyer, bei dem ich auch Komposition studiert habe. Später ging es dann mit eigenen DISTEL-Programmen weiter.
Welches ist dein persönliches DISTEL-Lieblingsprogramm?
Das Programm „Im Namen der Raute“, das wir momentan noch spielen, hat mir bisher am meisten Spaß gemacht, sowohl das Arrangement als auch das Spielen selbst. Hier gibt es einen sehr schönen Rhythmuswechsel von Textszenen und Musik. Das Stück hat keine langen musikalischen Pausen, zahnt gut ineinander und hat ein schönes Tempo – es macht also großen Spaß es zu spielen!
Welche Rolle spielt deiner Meinung nach Musik im Kabarett?
Musik übernimmt im Kabarett verschiedene Funktionen. Zum einen für die Show selbst, also als rhythmisches Element, das immer wieder auftaucht. Zum anderen dient sie als kleine Pause für das Publikum, um den Inhalt der Szenen besser verarbeiten und sacken lassen zu können. Nach den musikalischen Zwischenspielen können sich die Zuschauer wieder besser auf das Wort konzentrieren. Außerdem eröffnet die Kombination von Text und Musik die Möglichkeit, Pointen besser zu transportieren - beispielsweise, wenn bei bekannten Songs die Texte vom Original abweichen.
Musik fungiert im Kabarett quasi als Darsteller: Der Text kann durch sie in ein ganz bestimmtes Licht gerückt werden. Je nachdem mit welcher Musik er vertont wird, lässt sich eine bestimmte Haltung zum Ausdruck bringen. Wenn man beispielsweise einen Text wie eine Opernarie singt, beschwört das Ganze ein völlig anderes Pathos und kommt ganz anders herüber, als wenn man ihn nach einem kleinen Volksliedchen, einem Hip-Hop- oder Rock-Song vertont. Da steckt eine völlig andere Aussage dahinter.
Was hörst du privat gerne für Musik?
Ich höre eigentlich alles Mögliche gerne und mag verschiedenste Musik aus allen möglichen Epochen – wenn sie gut gemacht ist. Zum Beispiel mag ich die Beatles. Studiert habe ich ja Filmmusik, und im Film ist es ja so, dass je nach Genre völlig unterschiedliche Musik auftaucht. Aber dadurch, dass ich Musik so häufig im nicht-privaten Kontext höre, höre ich sie privat gar nicht so oft.
Welche Musik, denkst du, spricht das Publikum am meisten an?
Das kommt auf die Situation an! Die Vielfalt der Musik eröffnet eben die Möglichkeit das Publikum auf ganz verschiedene Arten anzusprechen und zu überraschen, gerade mit dem Wechsel zwischen verschiedenen Stilen.
Welcher schlimmste Patzer ist dir auf der DISTEL-Bühne je passiert?
Der schlimmste Patzer passierte eigentlich gar nicht auf der Bühne. Es gab nämlich ein Missverständnis, welcher Pianist an dem besagten Abend spielen sollte. Letzten Endes war keiner von uns beiden Pianisten anwesend und Matthias Felix Lauschus musste das Programm „Staatsratsvorsitzende küsst man nicht“ ganz alleine begleiten.
Meine schlimmste DISTEL-Vorstellung hatte ich auf Tournee, in Bünde (Nordrhein-Westfalen). Ich war total krank und musste mit einer einseitigen Mandelentzündung und Fieber spielen. Der Auftrittsort nannte sich „Universum“, dort hatte ich meine schlimmste bisherige Show.
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