Martin Maier-Bode - Im Interview
Autor von NACHTS IM BUNDESTAG
Premiere: 3. April 2020
Lieber Martin, wann wurdest Du von der DISTEL mit diesem Programm als Hauptautor betraut. Und gab es thematische Vorgaben/ Wünsche seitens der DISTEL oder wurden Dir die Themenentwicklung komplett überlassen?
Im Prinzip hatte ich da freie Hand. Aufgrund des 30. Einheitsjubiläums in diesem Jahr lag jedoch nahe, die Frage zum Thema zu machen, ob und wie gut wir denn in dieser Zeit zusammen gefunden haben. Mich treibt dieses Thema eigentlich schon seit 30 Jahren um, denn auch als Westdeutscher hätte ich mir damals gewünscht, dass es ein gleichberechtigtes Zusammenwachsen wird. Es kam dann leider anders und mit den Folgen kämpfen wir bis heute.
„Nachts im Bundestag“ hat eine geschlossene Rahmenhandlung, die konkret im Bundestag und mit festen Figuren spielt. Können wir also eher mit einem Kabarettstück rechnen oder wird es ein buntes Nummernprogramm, immer wieder auch losgelöst von der Haupthandlung?
Es soll die Vorteile von beiden Ansätzen verbinden. Wir haben eine Rahmenhandlung, in der heiter über die politische Lage in diesem Land diskutiert wird. Um viele Humorfarben und Themen abwechslungsreich erzählen zu können, springen unsere Darsteller in viele Szenen, die im Prinzip satirisch bebildern, was uns alle beschäftigt, ob Klimawandel, Rechtsradikale, Öffentlicher Nahverkehr oder der immerwährende Kampf von Reich gegen Arm.
Im Plot lässt Du zwei wütende verärgerte Ostdeutsche in einem skurrilen Setting einen Hinterbänkler aus dem Bundestag entführen - bedienst Du damit nicht die Klischees vom Wutbürger-Ossi?
Nein. Ich glaube, es gibt einen berechtigten Frust vieler Menschen in allen Teilen unseres Landes. Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Das formulieren auch unsere Protagonisten. Dass dabei die Frage nach Osten oder Westen viel weniger eine Rolle spielt als die Frage nach Mächtigen und vermeintlich Ohnmächtigen wird in dem Stück hoffentlich herausgespielt.
Den Hinterbänkler hattest Du auch schon in vergangenen Kabarett-Programmen thematisiert - was interessiert Dich im Besonderen an dieser „Position“ in den Bundestagsfraktionen?
Ich finde in jedem System diejenigen interessant, die das System stützen ohne selbst an den entscheidenden Machthebeln zu sitzen, denn sie sind letztlich diejenigen, ohne die der ganze Apparat nicht funktioniert. Das sind die sogenannten Mitläufer. Und die spielen nicht nur eine fatale Rolle, in ihrem Bemühen steckt auch immer sehr viel Komik.
Im Programm geht es also um die deutsch-deutschen Befindlichkeiten. Bei uns in der DISTEL lacht Ost und West gemeinsam - das war schon damals in den 90er Jahren so. Würdest Du sagen Ost und West lacht anders? Oder der Unterschied woanders auszumachen - Nord - Süd, Großstadt - ländlichere Gegend …?
Nein, ich würde nicht sagen, dass da heutzutage noch große Unterschiede zwischen Ost und West bestehen. Generell hatten die Menschen in der DDR etwas feinere Antennen für Satire, weil von den Kabarettisten viel mit sprachlicher Genauigkeit und Andeutungen gearbeitet wurde. Aber ich denke, das hat sich verspielt, wir erleben ja inzwischen alle dieselbe politische und ökonomische Realität. Bei allen Livestyle-Erscheinungen gibt es allerdings ein Stadt-Land-Gefälle. Während auf dem Land der Latte Macchiato noch ein Synonym für linksliberales Bürgertum ist, muss man in der Stadt schon die diversen veganen und verpackungsfreien Spielarten davon berücksichtigen.
Schreibst Du die Charaktere direkt auf die Schauspieler*innen zu?
Ich bemühe mich. Bei der jetzigen Produktion kenne ich Stefan und Sebastian ganz gut, während ich für Nancy noch ein Gespür entwickeln muss.
Lädst Du weitere Autor*innen ein, sich mit Textbeiträgen am neuen Programm zu beteiligen? Gibst Du dafür thematische Vorgaben? Oder stilistische - z.B. Szene oder Monolog oder Songtext?
Ja, neben dem Regisseur Jens Neutag sind diesmal auch Dietmar Jacobs und Sabine Wiegand als Songautorin mit an Bord. Und ja, es gibt vor allem thematische Vorgaben oder Wünsche.
Regisseur des Programms ist Jens Neutag, selbst auch Autor? Wie weit würdest Du Dich von etwaigen Textvorschlägen oder -anpassungen von ihm beeinflussen lassen?
Sehr stark, wir kennen uns sehr gut und haben da ein ausgesprochen intensives Vertrauensverhältnis. Sonst kündige ich ihm die Freundschaft. Das riskiert er nicht. Ich übrigens auch nicht.
Welchen Einfluss werden die Schauspieler*innen haben dürfen?
Ich finde immer wichtig bei einer Kabarett-Produktion, dass jeder Schauspieler jeden Satz, den er sagt, auch so unterschreiben kann. Wenn ihm Ergänzendes einfällt und das die Inhalte oder Dramaturgie stärkt, hat jede Produktion gewonnen. Es ist in unserem Genre wichtig, dass das Publikum den berechtigten Eindruck hat, dass alles, was auf der Bühne passiert authentisch ist. Insofern: Ja, sie haben, wenn sie das wollen, großen Einfluss. Vielleicht schreibt Stefan Müller auch einen Song für dieses Programm.
Wie eng ist Deine sonstige Zusammenarbeit mit dem Regisseur und dem Bühnenbildner? Hast Du klare Vorgaben für die Regie und für das Aussehen der Bühne und der Kostüme.
Mit Jens diskutiere ich recht oft über Fragen des Stücks, wobei ich ihm auch in Bühnenbild- und Kostümfragen voll vertraue. Ich habe den Bühnenbildentwurf von Britta Bremer, mit der ich auch regelmäßig zusammen arbeite, gesehen und ich finde ihn auf den ersten Blick schon einmal sehr gut. Mit Leben füllen werden das Bühnenbild dann Jens und die Kabarettisten – dann wird sich herausstellen, wie gut es funktioniert.
Lieber Martin, Du warst hier von 2009 bis 2014 Künstlerische Leiter - was hast Du danach gemacht?
Ich bin als Autor und Darsteller zum Düsseldorfer Kom(m)ödchen gegangen. Da arbeite ich nach wie vor mit großer Begeisterung. Darüber hinaus schreibe ich viel für Kabarett-Ensembles und Fernseh-Satire-Formate (z.B. Kanzleramtspforte D beim MDR und Mitternachtsspitzen beim WDR).
Wie ist es für Dich, nach ein paar Jahren wieder als Hauptautor an der DISTEL zu arbeiten?
Großartig. Ein Nach-Hause-Kommen. Ich empfinde mich nach wie vor als Teil der Distel-Familie. Ich liebe dieses Haus und die Menschen, die darin arbeiten.
Hat sich die DISTEL aus Deiner Sicht inzwischen verändert?
Ich stehe dem Künstlerischen Leiter Dominik Paetzholdt künstlerisch und persönlich sehr nahe. Insofern konnte ich mir nie einen besseren Nachfolger vorstellen. Natürlich gibt es im Detail auch Unterschiede, alles andere wäre ja auch fatal. Dominik kommt ursprünglich vom Theater und liebt stückhafte Kabarett-Programme sehr. Ich kann manchmal auch dem anarchisch zerstückelten Ansatz auch etwas abgewinnen. Ansonsten finde ich, dass sich das Haus mit vielen Angeboten noch breiter aufgestellt hat als zu meiner Zeit. Das ist auch nötig in einem nicht leichter werdenden Umfeld, dem hart umkämpften Kulturmarkt in Berlin.
Foto: © Martin Maier-Bode