Frank Voigtmann - im Interview
Autor, Regisseur & Darsteller für "Skandal im Spreebezirk"
Ein Gespräch mit dem Autor FRANK VOIGTMANN.
Die DISTEL hat Nummernprogramme oder auch Kabarett-Stücke mit einer geschlossenen Handlung in ihrem Repertoire. „Skandal im Spreebezirk" greift ein weiteres Format auf – kannst Du das kurz erklären?
Im eigentlichen Sinne handelt es sich schon um ein Nummernprogramm. Die spezielle Qualität von Kabarett, wenn man so will, das Alleinstellungsmerkmal, ist eine bunte Themenvielfalt. Es geht um die Inhalte, nicht um Figurenbögen oder eine Fabel, wie im Theater oder einem Kabarettstück.
Kabarett: „eine in Fächer abgeteilte drehbare Speiseplatte" , das sind die Ursprünge.
Robert Schmiedel und ich haben bewußt versucht uns nicht an eine Dramaturgie zu halten. D. h. kein roter Faden; kein Bogen. Der Schluß korrespondiert z. B. nicht mit dem Anfang. Die Themen treffen aufeinander, bilden eine Reibungsfläche. Und auch diese erzählt letztlich etwas.
Back to the roots. Wenn nach dem Format gefragt wird, vielleicht trifft es die Collage ganz gut.
„Skandal" – genau genommen gibt es allein in Deutschland nahezu im Wochentakt einen neuen politischen Skandal, der auch kurz die (Medien-)Gemüter erregt, bis er vom nächsten abgelöst wird. Aber was bleibt bei dieser Skandal-Inflation noch an der Empörung übrig? Können wir also überhaupt noch von Skandalen sprechen, wenn sie schon Alltag sind?
Ein Skandal bleibt ein Skandal. Dass wir uns daran gewöhnt haben, ändert daran nichts.
Erschreckend ist, das stimmt, dass wir inzwischen so desensibilisiert sind. Andererseits, nur weil durch die Globalisierung die Welt so klein ist, und so viele Skandale an uns heran getragen werden wie noch nie, müssen wir schließlich unseren Alltag bewältigen, insofern...
Die Medien fiebern nach Skandalen und verdienen ihr Geld damit. Jetzt könnte man sagen: das Kabarett auch. Wobei uns, Schmiedel und mich, mehr die Gesellschaftsphänomene interessieren. Und an diesen hat jeder seinen kleinen Skandalanteil.
Der Spreebezirk ist ja eigentlich doch auch ein Sperrbezirk ? Wie durchlässig, also wirklich demokratisch ist die Bundesrepublik?
Im globalen Vergleich fühle ich mich, was die Demokratie betrifft, nicht benachteiligt. Sicher nicht!
Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob für die Probleme in unserer Zeit, ich denke da beispielsweise an den Klimawandel, die behäbige und aufwendige Demokratie das passende Gesellschaftssystem ist. Andererseits weiß man leider auch keine erstrebenswerte Alternative.
Sorgen sollten wir uns viel mehr um die jetzigen Umgangsformen in der Demokratie machen.
Ich persönlich kann sagen, dass ich schon sehr dankbar bin, in Deutschland geboren zu sein.
Könnten dann Kabarettist*innen vielleicht von ihrer Arbeit annehmen, ein bisschen auch eine Art der APO, außerparlamentarischen Opposition, zu leisten – oder ist das zu weit gegriffen?
So sinnvoll, wie heute, war Kabarett lange nicht. Das hat weniger mit einer außerparlamentarischen Opposition zu tun, als vielmehr mit einer Reibung, die im Zuschauerraum entsteht. Kabarett wird gegenwärtig wieder zu einem relevanten Ort des Diskurses. Die Themen eines Abends werden sehr kontrovers aufgenommen. Wir sind eben nicht mehr alle einer Meinung. Und auch das ist ja letztlich eine Form von Unterhaltung.
Wie bist Du zum Kabarett gekommen?
Kann mich nicht erinnern. Ist schon so lange her.
Nun ja... Hand in Hand ging ich mit meinem Papa ins Pionierhaus Juri Gagarin in Karl-Marx-Stadt. Dort klopfte er an eine Tür und fragte, wo er denn seinen siebenjährigen Sohn, also mich, für die AG (Arbeitsgemeinschaft) Junge Rezitatoren anmelden könnte. Die Mitarbeiterin sagte, „so was haben wir hier nicht. Aber wir haben hier ein Pionierkabarett. Die Spioniere. Und ich bin die Leiterin, Helga Müller." So kam ich zum Kabarett.
Dort lernte ich auch Robert Schmiedel kennen; uns verbindet eine lange Freundschaft.
Ganz schön ist vielleicht auch die Geschichte, dass ich als Kind sehr gern die Schallplatten der Leipziger academixer hörte. Als Erwachsener war ich dann zufällig der zweimillionste Zuschauer dieses Kabaretts; und wenige Jahre später der künstlerische Leiter.
Du arbeitest als Schauspieler, Regisseur und auch Autor – was hast Du in den letzten fünf Jahren am wenigsten gemacht?
Freizeit!
Wie ist es, in diesem DISTEL-Programm mit allen drei Aufgaben beschäftigt zu sein. Nimmst Du Dir als Regisseur ausreichend Freiheit, vom Textbuch, das Du zusammen mit Robert Schmiedel verfasst hast, abzuweichen? Dürfen wir zugespitzt fragen: Schreibst Du Deinem Bühnen-Charakter mehr ...
...mehr Pointen? (lacht) ... Es gibt auch andere Beispiele. Denken wir an Herricht & Preil oder Dieter Hallervorden.
Die Pointe hat in unserem Text derjenige, für den die Pointe notwendig ist.
Es stimmt, dass ich selbst mitspiele, darin besteht eine gewisse Schwierigkeit. Auch für die beiden anderen Kollegen auf der Bühne ist es ungewohnt, dass plötzlich der Spielpartner aus der Szene aussteigt, korrigiert und justiert.
Andererseits hat es natürlich auch seinen Reiz, weil es eine andere Dynamik hat. Keiner beobachtet von außen; ich bin mittendrin. Das ist ungewöhnlich, macht aber allen Spaß.
Freiheit vom Textbuch nehme ich mir, das lässt sich in der praktischen Arbeit gar nicht umgehen; sie ist auch notwendig, damit eine neue Qualität hinzukommt.
Das Schreiben ist der Kopf; das Inszenieren der Bauch.
Foto: Tom Schulze