Thomas Lienenlüke - Autor von "Zwei Zimmer, Küche: Staat!"
Die DISTEL hat Sie hauptverantwortlich mit dem Textbuch betraut. Mit welchen Vorgaben an das Textbuch & Programmstilistik kam die Anfrage? Und wann war das?
Das war im Frühjahr 2016. Und wir waren uns sehr schnell einig, dass es eine schnelle und böse Kabarettkomödie werden sollte, also eine durchgehende Geschichte mit vielen wiederkehrenden Figuren.
Wie entstehen die Ideen für den Plot? Gibt es da zig Varianten, die immer wieder verworfen werden?
Puh. Also ich fang immer ziemlich früh an, mir eine Konstellation aus Figuren auszudenken, die ich spannend finde. Dabei recherchiere ich auch entsprechende Lebensumstände, Fakten, etc. Und gleichzeitig überleg ich, was denen an gesellschaftlich gerade aktuellen Dingen passieren könnte, wie der Mikrokosmos meiner Protagonisten die große Welt spiegelt – und umgekehrt. Dann baue ich eine lose Konstruktion aus verschiedenen Handlungssträngen – und die ändern sich im Entstehungsprozess dann dauernd. Aber irgendwann verfestigt sich das Ganze zu einer schlüssigen Geschichte, und dann weihe ich auch andere in den Entstehungsprozess ein...und in unserem Regisseur und dem Ensemble habe ich auch wunderbare Sparringspartner, um Ideen solange hin und her zu spielen, bis sie wirklich „rund“ sind.
Wie weiß man als Kabarettautor, wann etwas lustig & witzig ist. Testen Sie es aus?
Ich glaube schon, dass ich ein Gespür dafür habe, ob etwas witzig ist. Aber es ist bei aller Erfahrung doch immer wieder spannend, an welchen Stellen das Publikum lacht. Und wie unterschiedlich das an verschiedenen Abenden auch ausfallen kann.
Das Stück handelt von Margie, die niemals in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und sich als deutsche Bürgerin kurzerhand couragiert zu einer ungewöhnlichen Handlung entschließt. Ist das noch Zivilcourage oder schon ziviler Ungehorsam, was sie unternimmt?
Es ist eigentlich eine Mischung aus Verzweiflung und Sehnsucht nach einem selbstbestimmten und respektierten Leben. Margie gehört zu der immer größer werdenden Gruppe von Menschen, die ihr Leben lang versuchen, anständig „über die Runden zu kommen“ – und denen dann irgendwann die irren Mietpreise in den Städten und die wachsende Schere zwischen Arm und Reich den Boden unter den Füßen wegzieht. Sie ist auf jeden Fall eine Figur, die ich schon beim Schreiben sehr liebgewonnen habe. Und eine ganz kleine bescheidene Hommage an viele Helden aus den Filmen Aki Kaurismäkis.
Welche Publikumsreaktionen erhoffen Sie sich für das Programm? Weitere Staatengründungen ...
Ich hoffe, dass das Publikum viel lacht, und viel mitfühlt. Und vielleicht zumindest am nächsten Tag (Verlängerung gern gesehen) mit etwas mehr Empathie auf all die Menschen schaut, die ohne Glamour aber mit großem Herz und großer Sehnsucht durchs Leben laufen.
Was denken Sie, welche Rolle spielt Kabarett im (politischen) Leben seines Publikums und in der Gesellschaft heutzutage überhaupt?
Gottseidank eine ziemlich große. Kabarett wird ja in schöner Regelmäßigkeit totgesagt und medial vorkompostiert – und im Moment wächst wieder sehr viel schönes und relevantes aus dem Kompost hervor. Menschen erhalten Informationen aus dem Kabarett, die sie durch die gängigen Medien nicht bekommen – ich hab vor der Recherche für das Stück auch nicht gewusst, wie viele Menschen schon ihre eigene Republik ausgerufen haben – und durchaus erfolgreich damit waren. Und außerdem – egal, wie viele Sender und Content ich über Netflix und das Netz bekomme – das Live-Erlebnis, bei dem leibhaftige Menschen mich intelligent unterhalten, ist gottseidank durch nichts zu ersetzen.
© Ralf Borges