Timo Doleys – Autor von "Die Zukunft ist kein Ponyhof"
Seit 2006 Schauspieler im DISTEL-Ensemble
Lieber Timo, 2010 hast Du begonnen, neben Deiner Schauspieltätigkeit an der DISTEL, „kleine“ Aktualisierungen laufender Programme vorzunehmen, es folgten einzelne Kabarett-Nummern und nun hast Du Dein erstes komplettes Programm geschrieben. Was ist Deine Motivation, zu schreiben?
Mit der gleichen Motivation bin ich auch Schauspieler geworden: Es macht mir Spaß, sich Figuren auszudenken. Beim Schreiben kann ich die Figuren dann – mehr noch als beim Schauspielen – nach Lust und Laune in neue Konflikte oder absurde Situationen stürzen und Probleme auf die Spitze treiben.
Das ist für mich ein diebischer Spaß, mir auszudenken, was z.B. auf der Geburtstagsfeier in “Ponyhof” alles schief gehen kann. Da bietet grade Ensemble-Kabarett natürlich tolle Möglichkeiten: wie z.B. die hundertjährige Angela Merkel in der Talkshow beim ebenfalls hundertjährigen Günther Jauch (“Endlich Visionen”), Peter Altmaier wegen seiner Karriere bei einer Fernsehwahrsagerin anrufen zu lassen (“Im Namen der Raute”) oder Merkel und Hofreiter ein Schwarz-Grünes Liebes-Duett tanzen singen zu lassen (“Wohin mit Mutti”).
Wie gehst Du fürs Schreiben „technisch“ vor? Beginnst Du Deinen Tag mit Zeitung lesen? Entstehen Ideen spontan oder musst Du Dich hinsetzen, grübeln, probieren, streichen, neu schreiben, ...?
Das ist total unterschiedlich. Es ist viel Fleißarbeit. Das heißt am Schreibtisch sitzen und ausprobieren. Und sich informieren. Man kann ja im Internet-Zeitalter den Nachrichten kaum entkommen. Schon bevor man die Zeitung geholt hat, genügt ein morgendlicher Blick aufs Handy. Was müssen das damals für ruhige Zeiten gewesen sein, als man nur morgens Zeitung las und abends die Tagesschau anschaltete. Heute gibt es rund um die Uhr “Breaking News”.
Die Schwierigkeit ist eher, die Themen nach Relevanz und Wahrheitsgehalt zu sortieren. Wobei oft auch unwichtige Themen viel mediale Aufmerksamkeit bekommen und wir somit auch im Kabarett nicht um sie herum kommen.
Und wie bist Du auf die Idee gekommen, ein ganzes Programm zu schreiben?
Man sollt auch im höheren Alter hin und wieder auf seine Eltern hören. Nachdem ich die ersten Szenen für die DISTEL geschrieben habe, hat mein Vater mir prophezeit: Du wirst irgendwann ein ganzes Stück schreiben. Ich habe immer protestiert: So einfach geht das nicht.
Als dann Dominik Paetzholdt, unser künstlerischer Leiter, fragte, ob ich nicht einmal etwas für das Studio etwas schreiben will, dachte ich: Gut, wenn ich es nicht probiere, werde ich nie herausfinden, ob ich es kann. Erst ab diesem Zeitpunkt begann die Ideensuche. Da die Premiere zum Distel-Jubiläum geplant wurde, entstand bei mir die Idee, das Thema Geburtstagsfeier einzuflechten.
Das Stück erzählt einen Tag im Leben einer Mittelschicht-Familie. Muss es sich im Kabarett nicht immer um Politiker und deren Arbeit drehen?
Die Politik wird hier durch die Tatsache ins Stück geholt, dass ich den Hauptdarsteller einen Kabarettist sein lasse, für den Politik zu einem roten Tuch geworden ist. Die Partygäste sollen deshalb das Thema Politik meiden. Was natürlich nicht funktioniert. Aber ganz anders, als man es vielleicht erwartet.
Ole, der Protagonist, ist Kabarettautor und erlebt einige „Brüche“ im Leben: 40. Geburtstag, plötzliche Geldsorgen, Schreibblockade – hat das "autobiografische" Züge?
Ich habe die 40 ganz gut verkraftet, aber Schreibblockaden sind mir nicht fremd. Ich glaube jeder Autor kennt Momente, in denen ein leeres Blatt Papier zu einem Problem wird. Im letzten Jahr hatten wir ja die längste Phase der Regierungsbildung, nach einer Bundestagswahl. Man wusste nicht wohin die Reise geht. Das war eine Zeit vieler verworfener Ideen – wie etwa schöne FDP- und Jamaika Songs, die leider nie zur Aufführung kommen werden. Oder vielleicht doch?
Seit die Groko steht, stolpert sie von einer Zerreißprobe zur nächsten. Lohnt es sich da noch, einen Text über Merkel und Seehofer zu schreiben, wenn die beiden eventuell, sobald die Tinte getrocknet ist, schon gar nicht mehr im Amt sind?
Aber noch frustrierender ist, dass im Moment die Themen gar nicht im Vordergrund stehen, sondern eher offene Rechnungen der Politiker untereinander, also zwischen Merkel und Seehofer. Das lähmt nicht nur das Land, sondern nervt auch Kabarettisten.
Im Stück konfrontiert sich Ole selbst mit der Berufsethik als Kabarettist? Inwieweit fließen da Fragen ein, die Du Dir als DISTEL-Schauspieler stellst?
Das Thema Berufsethik ist im Kabarett immer an der Tagesordnung. Und es gibt ja immer noch die Abgrenzung zwischen Kabarettisten und Comedians – getreu des Witzes: Der Comedian macht es wegen dem Geld, der Kabarettist wegen des Geldes.
Es ist schon eine Frage: Geht es nur um Lacher oder um Inhalte. Entscheidet man sich beim Schreiben für einen Witz über Merkels Frisur oder über Merkels Politik. Und die Befürworter des Politikwitzes rümpfen die Nase über den, der den Frisurenwitz macht. Und umgekehrt. Aber ich finde Beides hat seine Berechtigung. Die strikte Trennung zwischen E und U gibt es nur in Deutschland.
Ich jedenfalls möchte auf jeden Fall die Zuschauer unterhalten. Und auf der zweiten Ebene spielen trotzdem Themen wie politische Korrektheit, neue Rechte, Abstiegsängste, Helikopter-Eltern und Verschwörungstheorien eine nicht unerhebliche Rolle im Stück.
Das Stück nimmt eine unerwartete Wende, die ein bisschen „idealtypisch“ ist. Oles Arbeit bekommt gesellschaftliche Relevanz von ungewöhnlichem Umfang, warum das? Ist das die Überspitzung dessen, was Du von Kabarett erwartest oder eher ein Tick Selbstironie?
Das ist kein Tick, sondern natürlich eine große Schippe Selbstironie. Der Wunsch, das Kabarett nicht total wirkungslos ist, sondern man mit einem Auftritt einen Stein ins Rollen bringt, der die Welt verändert. Eine kleine Utopie, die ich mir für das Finale des Abends gegönnt habe.
Hast Du den Probenprozess begleitet? Bat Dich der Regisseur um Textänderungen?
Bisher gab es vom Regisseur nur den Wunsch nach einer zusätzlichen kleinen Szene und einer musikalischen Zugabe für das Ende. Es hat mich gefreut, dass keine Textänderungen nötig waren. Aber auch nach der Premiere werde ich das Programm in Zusammenarbeit mit dem Ensemble frisch halten und regelmäßig aktualisieren.
Sonst war ich bisher nur bei der Leseprobe, der offenen Probe mit Publikum und einer Durchlaufprobe anwesend. Mir war es wichtig, zu signalisieren, ich bin da, wenn ihr Sorgen habt oder etwas nicht plausibel ist. Gleichzeitig wollte ich aber „mein Baby“ an die Regie und das Ensemble übergeben. So haben sie die Freiheit, es zu Ihrem eigenen Stück zu machen, frei von der Sorge, da unten sitzt der Autor und schüttelt mit dem Kopf. Ich vertraue dem Regisseur Sebastian Wirnitzer völlig.
Außerdem kenne ich zum Beispiel Edgar Harter nun schon seit über einem Jahrzehnt und bin froh, dass er bei dieser Produktion mit dabei ist.
Noch eine Frage nebenbei: Das sehr erfolgreiche Programm „Wohin mit Mutti?“ basiert auf einer Idee von Dir. Das besondere dieses Stücks: Eine Spitzenpolitikerin – die Kanzlerin – trifft ganz unmittelbar auf ihr Volk, sie muss in einer Durchschnittsfamilie untertauchen. Es scheint so, dass Du Dich gern an der Kanzlerin abarbeitest – und Du verkörperst sie dann ja auch auf der Bühne. Welche Züge an ihr karikierst zu dabei am liebsten?
Ich mag Merkels unbewegte Körpersprache und Ihre umständliche, manchmal fast technokratische Sprechweise – wohlgemerkt mag ich es für die Bühnenfigur. Merkel zündet in Ihren Reden ja nicht grade ein Feuerwerk der Emotionalität, aber das trifft mein Humorzentrum sehr. Und ohne sie loben zu wollen, ist diese Reduktion manchmal sogar wohltuend in einer Ära der Selbstdarsteller – der Trumps, Putins, Kim Jong Uns und Erdogans. Auch in „Wohin mit Mutti?“ tobt um Merkel herum ein Orkan, den sie mit lapidaren Kommentaren an sich abprallen lässt. Selbst beim Aufeinandertreffen mit Hofreiter, der ihr heftige Avancen macht, bleibt sie ungerührt und unaufgeregt, obwohl das Ganze in einem Liebesduett endet.