23.04.2020
No. 104
Corona-ABC
Teil 1: A bis I
Dafür, dass das Coronavirus made in China ist, hält es erstaunlich lange! Während wir seit sieben Wochen die Kurve abflachen, aber am eigenen Körper immer mehr Kurven bekommen, deklinieren wir am besten die Pandemie einmal gründlich durch – von A wie Abstriche über F wie Frisurenkrise und Q wie Quarantainment bis Z wie zu Hause.
Abstriche: muss man in der Krise machen.
Bundestag: Obwohl Großveranstaltungen bis August verboten bleiben, darf das Doppel-Whopper-Parlament weiter tagen. Aber ab 2021 könnte der Bundestag über tausend Mitglieder haben und damit rein rechtlich als Fußballspiel gelten. Nur mit mehr Fouls. Ist die Pandemie bis zur nächsten Wahl nicht beendet, wird es – im doppelten Wortsinn – eng im Plenarsaal. Das Virus freut sich.
CH: „Confœderatio Helvetica", schweizerdeutsch für „Schweiz". Gleichzeitig ist „CH" der nationale Erkennungslaut der putzigen Alpenschrate, die ihr Land schon seit Jahrhunderten in freiwilliger Quarantäne von der Welt abschotten. Leider erweist sich der sympathische Rachenlaut in der Coronakrise als Nachteil, da durch ihn weit mehr virenbepackte Aerosole in den Luftraum gelangen als durch die weicheren Laute anderer Sprachen. Die ansteigenden Fallzahlen in der Schweiz sprechen eine deutliche Sprache (anders als die Schweizer selbst). Niederländer und Araber dürften dasselbe Sprachproblem haben. Rachen haben nichts zu lachen.
Defizit: Die EU-Kommission kündigte für die Dauer der Krise die Aussetzung der Defizit-Regeln aus dem Maastricht-Vertrag an, die bereits seit dem Inkrafttreten der Währungsunion außer Kraft sind. Wenigstens eine Sache bleibt trotz Corona gleich.
EM: Alle zwei Jahre freut sich der →Bundestag in der Sitzungswoche vor der Sommerpause darauf, ohne nennenswerte Debatte kleine Gesetze mit großer Auswirkung an der Bevölkerung vorbeizuwinken. So geschehen während der Fußballeuropameisterschaft 2012 mit dem Meldegesetz und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, zur WM 2014 mit dem Kahlschlag bei der Ökostrom-Förderung und – unvergessen vergessen – 2018 mit der Anhebung der Obergrenze für die Parteienfinanzierung. Das bewährte Ablenkungsmanöver EM findet zwar 2020 nicht statt, aber Gesetze ohne Debatte waren 2020 schon im März und April an der Tagesordnung.
Frisurenkrise: Der arme Thomas Kemmerich! Im März verlor der gelbe Glücksritter seinen Kurzzeit-Praktikumsplatz als Glatzhalter in der Thüringer Staatskanzlei, und kurz darauf schloss Corona auch noch seine Friseursalons. Deutschlandweit macht sich die Frisurenkrise bemerkbar, und wenn schon nicht die Bundesliga zurückkehrt, so doch zumindest die „Bundesligafrisur" (englisch für Vokuhila). Habe ich in einem dieser Friseurmagazine gelesen. In der „Hairzu".
Gruß des Jahres: das Wifive.
Humboldt-Forum: Die Verschiebung des Preußenprotzpalastes ist inzwischen ein liebgewonnenes Wahrzeichen unserer Stadt – anders als das Stadtschloss selbst. Seit dem Spatenstich (der so hieß, weil Wowereit und Gauck, zwei Spaten mit Stich, ihn durchführten) 2013 liegt die Eröffnung in konstant gleichbleibender Ferne. Und am 8. April gab es auch noch sichtlich Probleme beim Brandschutz – ganz wie beim großen Bruder BER. Übrigens fehlt dem Schriftzug am „Humboldt Forum" an der Fassade noch immer ein Bindestrich. Um zwei der wichtigsten deutschen Gelehrten zu ehren, muss man sie noch lange nicht korrekt schreiben (→zu Hause).
Islamischer Staat: Bereits Mitte März sorgten sich die kleinen Racker aus Rakka um die Gesundheit ihrer Bürger und sprachen eine Reisewarnung für Europa aus. Für Selbstmordattentäter gilt ein Mindestabstand von 1,5 Metern, und wo möglich, sollen Terrorakte aufs Home-Office verlegt werden. Empfohlen sind hierzu Apps wie „Skalp" und „Boom". Zudem gilt seit Jahren eine →Maskenpflicht. Auch die wöchentlichen Fridays-for-torture-Demos, die Köpfball-Bundesliga, die „Wüstn" (das Ramadanfest auf der Verwesienwiese) sowie die beliebten Dschihad-Messen „Explo" und „Execute" sind gestorben.
Text: Tilman Lucke