20.12.2020

No. 140

Das dicke Ende eines langen Jahres – Kurioses im Dezember

Boris Johnson wirft den Schatten voraus, den er schon immer hatte, ein Covidiot haucht sein Leben aus, und wir feiern Weihnachten, bis der Arzt kommt: ein Rückblick auf den letzten Monat des Katastrophenjahrs 2020.

 

4. Dezember: Corona scheint in Berlin ein seltsames Bauprojektesterben zu verursachen: Die U-Bahn-Linie U5 wird (fast) wie geplant rechtzeitig zur Fußballweltmeisterschaft 2006 eröffnet. Zwölf Tage später erlebt das Humboldt-Forum seine Einweihung, (beinahe) fristgerecht noch vor dem 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt 2019. Bürgermeister Michael Müller launcht den neuen Stadtslogan: „Berlin – du bist so fertig!"
5. Dezember: In Russland werden die ersten Impfdosen gegen Covid-19 verabreicht. Name des Impfstoffs: „Sputnik V" (sprich: Vau [für vaccine], nicht fünf). Wladimir Putin hatte sich mit der Zulassung gesputet und damit internationale Standards großzügig ausgelegt. Die Putin-Freunde in Deutschland demonstrieren allerdings gegen den Impfstoff – wohlgemerkt gegen den deutschen Impfstoff, der im Gegensatz zu „Sputnik V" nach unabhängigen Standards zugelassen wurde. Putin selbst ist übrigens sein größter Kritiker: Zunächst lehnt er eine Impfung mit der Begründung ab, das Zulassungsverfahren sei ihm zu dubios gewesen.
7. Dezember: Die Qualifikationsgruppen für die Fußball-WM werden ausgelost. Deutschland tritt gegen Fußballgiganten wie Liechtenstein und Nordmazedonien an. Jogi Löw verspricht, die Quali spannend zu machen.
9. Dezember: Boris Johnson reist nach Brüssel und verstößt damit gegen die Corona-Regel, überflüssige Reisen zu vermeiden.
12. Dezember: Harald Hänisch, AfD-Stadtrat in Böhlen (Sachsen) und Mitorganisator der Leipziger Coronaleugner-Demos, lernt fürs Leben: Er stirbt nach einer Corona-Infektion.
17. Dezember: Die UNESCO erklärt unter anderem das Schattenboxen und den „Ahnentrunk" der Guaraní in Paraguay (= Wasser mit Kräutern) zum immateriellen Weltkulturerbe. ImpfgegnerInnen schöpfen Hoffnung im Kampf gegen Covid-19 und beantragen die Zulassung des Trunks bei der Europäischen Arzneimittelbehörde. Mal eine ganz dumme Frage: Warum ist die Kulturtechnik des Impfens, die Jahr für Jahr zig Millionen Menschenleben rettet und bald ihr 225-jähriges Jubiläum feiert, noch kein Weltkulturerbe?
18. Dezember: Das Europäische Parlament regelt den ungeregelten Brexit: Zum ersten Mal zahlt sich die EU-Regelungswut aus. Das Parlament beschließt außerdem ein Gesetz, das unvorhergesehene Folgen des Brexits verbietet.
19. Dezember: Die von der Bundesregierung angekündigten Dezemberhilfen, auch Godot-Geld genannt, verzögern sich noch eine Weile. Das ist nur konsequent, denn im Dezember hatten die Soloselbständigen schließlich schon Hilfen erhalten: nämlich die Novemberhilfen. Insgesamt ist allen bisherigen Corona-Hilfsprogrammen gemein, dass sie nur zu einem Bruchteil abgerufen und ausgezahlt werden. Jedesmal, wenn Olaf Scholz mit „Wums" neue, großzügige Hilfen in Milliardenhöhe in Aussicht stellt, entsteht der Eindruck, als beträte er eine Kneipe, riefe laut aus: „Lokalrunde! Geht auf mich!" und verschwände dann leise durch den Hintereingang.
21. Dezember: Die EU-Kommission lässt den Biontech-Impfstoff zu. Europa ist damit drei Wochen später dran als Großbritannien. Dort hatte es eine Notfallzulassung gegeben, die inzwischen von einer regulären Zulassung abgelöst wurde. Wer auch nur leise Kritik am Vorgehen der EU und der Bundesregierung äußert und auch hierzulande eine Notfallzulassung fordert, erhält zur Antwort: Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, sonst gehe Vertrauen in den Impfstoff verloren. Das Gegenteil ist der Fall: Wer ohne Not unbegründete Zweifel am Verfahren schürt, um den ImpfgegnerInnen auf halbem Weg entgegenzukommen, muss sich nicht wundern, wenn Land und Leute nun um drei Wochen verzögert und damit drei Wochen länger die Folgen der Pandemie studieren können, oft im Wortsinn eingehend. Ob dadurch die Impfbereitschaft der Coronaleugner wirklich steigt?
24. Dezember: Weihnachten feiern, bis der Arzt kommt!
31. Dezember: Das Merkwürdigste am ganzen Jahr: Andreas Scheuer ist immer noch im Amt.
31. Dezember, Mitternacht: Wann, wenn nicht am Ende dieses Jahres, sollte man sich den bewährten ostdeutschen Silvestergruß zurufen: Gesundes neues Jahr!

 

 Text: Tilman Lucke