04.11.2022
No.235
Stinkekäse mit Kartoffelbrei und Ingwer – der verrohte Oktober im Überblick
Gestochen scharf
Folge 235: Stinkekäse mit Kartoffelbrei und Ingwer – der verrohte Oktober im Überblick
Tilman Lucke
Großbritannien bekommt einen Premiere-Minister, die Bahn sabotiert sich mal nicht selber, und im Potsdamer Museum Barberini gibt es „All you can werf“. Alles Weitere aus dem verrückten Oktober.
2. Oktober: Das Erfolgsbuch „Reise um die Erde in 80 Tagen“ von Jules Verne wird 150 Jahre alt. Kürzlich wurde es am Schauplatz London leicht verändert reenactet: „Reise in die Erde in 11 Tagen“. Hauptdarstellerin war die Queen. Gewonnen hat am Ende – wie im Buch – ein versnobter älterer Brite, der nicht merkt, dass sich die Zeit umgestellt hat. Anders als im Original wird der Gewinner am Ende König. Langweilig.
8. Oktober: Zum ersten Mal wird die Deutsche Bahn nicht von sich selbst sabotiert: In Norddeutschland fallen zeitweise alle Bahnen aus. Die Täter müssen laut Bundeskriminalamt Profis gewesen sein, die sich gut mit der Infrastruktur der Bahn auskennen. Damit scheiden Vorstand und Beschäftigte der DB aus dem Täterkreis aus. Die gute Nachricht: Wenn sich der Terrorismus schon solche Ziele suchen muss, ist er bald am Ende.
9. Oktober: Die Linkspartei strebt nach der Landtagswahl in Niedersachsen eine Parteienfusion an: mit den Sonstigen. Allotria Übrich, die Vorsitzende der Sonstigen, fragt: „Mit wem?“
17. Oktober: Die Stadt Straßburg kündigt an, dass auf dem Weihnachtsmarkt statt Champagner nur noch Stinkekäse verkauft werden darf. Eine wirkungsvolle Maßnahme, um in Corona-Zeiten die Abstände zu wahren und im Zeichen der Energieknappheit überhaupt für wenig Besucher zu sorgen. Auf Berliner Weihnachtsmärkten wird zu diesem Zweck statt Champagner seit Jahren deutscher Glühwein angeboten.
20. Oktober: Die britische Premierministerin tritt glücklos zurück. Die Briten, die bekannt für ihre verrückten Maße und Gewichte sind, definieren eine neue Zeitspanne: Sieben Wochen werden definiert als „Liz Truss“. Nachfolger wird Rishi Sunak: Zum ersten Mal ist ein Regierungschef reicher als der König, zum ersten Mal ein Nichtweißer – ein richtiger Premiere-Minister. Und König Charles III. wird auch in der Ohrgröße weit übertroffen. (Dabei dachte man immer, die Indischen hätten die kleineren Ohren.)
20. Oktober: Christian Lindner gesteht in der „Zeit“, dass er mit seiner Frau vereinbart habe, irgendwann „die Care-Arbeit zu übernehmen, wenn die Kinder da sind“. Er habe da schon seine Vorstellungen: „Bücher schreiben, vielleicht promovieren, jagen, fischen, imkern.“ Promovieren kann man als Politiker praktischerweise öfter, wenn man streng darauf achtet, den Titel rechtzeitig wieder abzugeben. Care-Arbeit bei Männern – das wissen viel zu wenige – besteht tatsächlich aus den genannten Tätigkeiten, schon seit der Steinzeit. Männer dürfen in Deutschland zwei Vätermonate nehmen, die ausdrücklich für Jagen und Imkern gedacht sind. Und daneben muss natürlich noch Zeit für Hobbys sein. Die Vätermonate müssen laut Gesetz zusammen mit der Frau genommen werden, damit der Mann überhaupt Zeit für die ganze Care-Arbeit hat, zum Beispiel Jagen und Imkern. Lindners Frau wählt seit dem Interview endlich auch FDP, um ihn möglichst lange im Amt zu halten und ihn vergessen zu machen, dass er eigentlich Care-Arbeit leisten wollte.
23. Oktober: Verrohter Oktober: Im Potsdamer Museum Barberini verhalten sich Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ eher wie die ersten Menschen: Sie bewerfen einen Monet mit Kartoffelbrei. Hex, hex! Das Gemälde bildet einen Heuschober ab und ist somit sogar vegan. Es gäbe so viele andere Gemälde, die man stattdessen bewerfen sollte: Viele Stillleben aus dem 16. Jahrhundert sind beispielsweise nicht vegan und wurden vermutlich auch vorher nicht politisch korrekt containert. Das „Letzte Abendmahl“ von Da Vinci wiederum geht gar nicht, weil dreizehn Männer abgebildet sind. Frauen gibt es keine – und vor allem ist niemand auf dem Bild divers! Niemand, der sein Geschlecht beispielsweise mit Plural angibt. Allerdings sah sich Jesus als Vater, Sohn und Heiliger Geist gleichzeitig – klassischer Fall von Trizophrenie – und könnte damit gerade noch als hinreichend divers gelten. Auch andere Gemälde gelten bei Klimaaktivisten als nicht mehr zeitgemäß: „Der arme Poet“ zum Beispiel verweigert seit Jahren die energetische Sanierung seiner Dachwohnung. Und „Die Ermordung des Jean Paul Marat“ zeigt einen Mann, der sich eine volle Badewanne einlässt und dann nicht zu Ende badet. Her mit dem Kartoffelsalat!
26. Oktober: Das Bundeskabinett erlaubt den Ausverkauf von Teilen des Hamburger Hafens nach China. Während die Opposition kritisiert, dass Infrastruktur verscherbelt werde, ist Bundeskanzler Scholz stolz, nach jahrelanger Suche in ganz Deutschland endlich einen Rest Infrastruktur gefunden zu haben.
27. Oktober: In Nordirland einigen sich die verfeindeten Parteien nicht auf eine Regierung. Daraufhin gilt das Regionalparlament als aufgelöst. Die Londoner Regierung ist erbost und droht den Abgeordneten in Belfast mit der Kürzung ihrer Diäten, falls sie die Aufgabe, für die sie gewählt worden seien, nicht erfüllten. Auf Nachfrage äußert der Nordirlandminister, die Sachlage sei eine andere als in London: Ein Kompromiss zwischen verfeindeten Parteien im ehemaligen Bürgerkriegsgebiet Nordirland sei schließlich ein Kinderspiel im Vergleich zum Umgang innerhalb in der Tory-Partei.
27. Oktober: Das Essen in der JVA München-Stadelheim wird bald spürbar besser: Die Knastkantine erhält für drei Jahre und zwei Monate den Michelin-Stern von Alfons Schuhbeck zuerkannt.
Tilman Lucke ist zu sehen in: "frisch gepresst. Satirischer Monatsrückblick" und in seinen Soloprogrammen "Entweder – UND!" und "Lucking zurück".