Dagmar Jaeger - 30 Jahre DISTEL

Interview mit der Schauspielerin

Dagmar Jaeger gehört zu den ganz Großen auf der DISTEL-Bühne. Es gibt viele Gäste, die als Fan-Gemeinde in jedes ihrer Programme hier im Haus kamen. Sie stand bisher in 38 Programmen auf der Bühne und spielte dabei mindestens 230 verschiedene Rollen. 

Im selben Jahr geboren wie die DISTEL, nämlich 1953, wusste Dagmar Jaeger schon in frühen Kindertagen: Ich muss ans Theater! So kam es, dass sie nach ihrer Ausbildung an der Schauspielschule „Ernst Busch" in Berlin, ihr erstes Engagement in „Murx-Stadt" (heute Chemnitz) bekam. Dort hatte sie die Möglichkeit, viele tolle Rollen zu verkörpern – Gretchen, Grusche, Mascha, Mirandolina, Melibea, Sally Bowles, Paula, Laura, Tinka ... Sie bekam während dieser Zeit zwei Kinder und beschreibt sich seit jeher als leidenschaftlichen Familienmenschen. 1989 suchte dann die DISTEL in Berlin dringend eine Kabarettistin – ... daraus wurden dann 30 Jahre als festes Ensemblemitglied des Hauses.


Liebe Dagmar, Du kommst vom klassischen Theater; auch an der Schauspielschule gab es das Fach „Kabarett" nicht. Was musstest Du zunächst neu lernen und/ oder welches Handwerkszeug konntest Du einsetzen, um Leute zum Lachen zu bringen?

Kabarett kann man nicht wirklich lernen, denke ich. Anders als beispielsweise im klassischen Theater taucht man nicht tief psychologisch in die Charaktere ein, sondern setzt den Fokus auf möglichst viel Überspitzung, das erzeugt häufig Komik. Wenn man dann noch eine gute Pointe hinbekommt, ist das gelungenes Kabarett!

Kabarett ist sehr interaktiv, ohne vierte Wand – das ist im klassischen Sprechtheater nicht so verbreitet. Kabarett lebt davon. Wie war das für Dich, immer unmittelbar diese Energie – oder de-ren Ausbleiben – aus dem Publikum zu erleben?

Auch im „normalen" Theater merkt man, ob man das Publikum erreicht. Aber im Kabarett sind die hörbaren Reaktionen des Publikums während der Vorstellung die Motivation des Abends. Ich denke, vor allem der Text ist wichtig. 80 % der Lacher bekommt man durch gelungene Arbeit des Au-tors oder der Autorin. Daher gibt es Pointen, die bei fast jedem Publikum gut funktionieren.

Was waren Deine besten DISTEL-Momente: Situationen mit dem Publikum? Oder ein „Lieblings"-Charakter oder ein ganzes Programm, ...?

Meine Lieblingsprogramme waren „Hundertmal probiert", „Bombenstimmung", „Zwischen den Polen" und „Zwei Zimmer Küche Staat". Einen wirklichen Lieblingscharakter habe ich nicht, das liegt vielleicht daran, dass man die verschiedensten Rollen innerhalb eines Programms verkörpert. Ich bin ein Ensemblemensch – das Miteinander muss stimmen. Es freut mich, wenn das Publikum alle Schauspieler und Schauspielerinnen als Gruppe wahrnimmt und lobt.

Diskutiert das Ensemble regelmäßig über Politik, also sozusagen jeden Abend vor der Vorstellung?

Ja. Wir diskutieren dauernd. Das ist unausweichlich!

Was hast Du gemacht, wenn Du das Gefühl hattest, was heute passiert ist, muss ich am Abend unbedingt auf die Bühne bringen? Oder wenn es sehr tragische, erschütternde Ereignisse gab?

Solche Ereignisse gibt es natürlich ständig. In solchen Fällen setzt sich das Ensemble zusammen und sucht gemeinsam nach Formulierungen für die Bühne. Manchmal kommen dann neue Dinge dazu, andere Textpassagen werden verändert oder gestrichen.

Wie gehst Du damit um, wenn Du die Art der Zuspitzung oder gar die inhaltliche politische Kritik nicht teilen kannst?

Wir haben schon alle einen ähnlich politischen Konsens, wir sind ein linkes Kabarett. Das mini-miert gewisse Auseinandersetzungen. Der individuelle Geschmack ist natürlich eine andere Sache. Klar gab es Rollen, die ich weniger gern gespielt habe als andere – aber man bleibt dann professionell und macht es. Gäbe es allerdings etwas, womit ich inhaltlich gar nicht klarkommen würde, würde ich es auch nicht spielen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was wünschst du dir nach einer Vorstellung, dem Publikum idealerweise mit auf den Weg gegeben zu haben?

Wünschenswert ist natürlich, wenn der Abend auch nach der Vorstellung noch nachklingt. Es wäre toll wenn man Momente im Spielen erzeugt hat, in denen man die Leute berühren konnte. Momente, die das Publikum für aktuelle Probleme sensibilisiert oder in denen sich der Zuschauer oder die Zuschauerin selbst reflektiert.

 

 

Dagmar Jaeger spielte in diesen Programmen:

Wir handeln uns was ein (Neuinszenierung) | Berlin, Berliner, am Berlinsten – oder: Tickt die Geschichte richtig? | Reichtum verpflichtet | Die reine Leere | Wir sind doch nicht betroffen | Rette uns, wer kann | Lebenslänglich auf Bewährung | Das haben wir nicht verdient | Orpheus auf Eurydike | Man trifft sich | Wir sind ein starkes Stück | Hundertmal probiert | Gartenfest oder Krieg der Zwerge | Wir fassen zusammen | Bombenstimmung | Ende offen (50 Jahre Distel) | Wenn der Thierse 2x klingelt | Alles für die Katz | Zwischen den Polen | Ein Lied umgeht die Welt | Hotel Heimat | Best of Distel | Shanghai | Findet Köhler | Staatsratsvorsitzende küsst man nicht | Sechs and the City | Blonde Republik Deutschland | Wir treten zurück – Best of DISTEL zum Regierungs-Irrsinn | Wie geschmiert! | Best of 2012 - Wir treten zurück | Endlich Visionen! (60 Jahre DISTEL) |Klare Ansage: TOTAL VERSTEUERT! | Mensch Merkel! (Best-Of-Programm) | Einmal Deutschland für alle! | Das ist der Gipfel | Zwei Zimmer, Küche: Staat! | Zirkus Angela | 2018: Odyssee im Hohlraum (65 Jahre DISTEL)

Darunter sind Inszenierungen -

- in der Regie von:

Peter Ensikat, Hans Holzbecher, Frank Lüdecke, Martin Maier-Bode, Dominik Paetzholdt, Klaus Piontek – u.a.

- mit Texten von:

Christian Ehring, Peter Ensikat, Horst Evers, Harry Fiebig, Michael Frowin, Dietmar Jacobs, Edgar Külow, Thomas Lienenlüke, Frank Lüdecke, Martin Maier-Bode, Jens Neutag, Andreas Rebers, Inge Ristock, Wolfgang SchaIler, Robert Schmiedel, Thilo Seibel, Sören Sieg, Frank Voigtmann – u.a.

- mit Schauspielerinnen und Schauspielern wie:

Andrea Badey, Maja Elsenhans, Hannelore Erle, Helmut Hellmann, Madeleine Lierck-Wien, Gert Kießling, Karl-Heinz Oppel, Bastienne Voss – u.a.

- sowie dem heutigen Team von:

Timo Doleys, Edgar Harter, Matthias Felix Lauschus, Caroline Lux, Stefan Martin Müller,  Michael Nitzel, Rüdiger Rudolph, Sebastian Wirnitzer.