Michael Thiele - Plakatkünstler von "Wenn Deutsche über Grenzen gehen"
Herr Thiele, die DISTEL hatte auf der Suche nach Plakatkünstler*innen Ihre Arbeiten für die Projektfabrik in Witten entdeckt; ist Plakatgestaltung der Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Für wen haben sie bisher Plakate entwickelt?
Für mich hat es großen Reiz, den Kern eines Themas plakativ herauszuarbeiten und dabei die ganze Palette von Darstellungstechniken zu nutzen. Und ich liebe Großformate. Insofern ist Plakatgestaltung ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Premierenposter für Theater, Kabarett oder generell Kultur bieten natürlich besonders reizvolle Möglichkeiten, weil hier das Zielpublikum viel Offenheit mitbringt für Abseitiges, Provokantes oder schamlose Übertreibung. Aber unabhängig von Branche oder Thematik geht es für mich immer darum, ein großes visuelles Ausrufezeichen zu kreieren, ob als Poster, als Billboard am Highway oder direkt auf die Wand gemaltes Unikat.
Auf Ihrer Webseite heißt es „Studio für visuelle Kommunikation“ – wie sind Sie visueller Kommunikator geworden?
Bereits im Sandkasten. Wenn ich als Kind von meinen Abenteuern mit Drachen, Riesen und Zwergen berichtet habe, haben alle gesagt: "Erzähl’ keinen Unsinn!". Habe ich diese gemalt, fanden es alle schön :)
Wir leben in einer sehr „visuellen Welt“ – eine Flut von – oft bewegten - Bildern in den Medien, in den sozialen Netzwerken und im öffentlichen Raum. Inwieweit kann sich da ein Plakat im städtischen Raum bewähren?
Die Konkurrenz da draußen ist natürlich sehr viel größer geworden, aber die grundsätzlichen Anforderungen an ein Plakat haben sich m.E. nicht verändert. Plakate mussten schon immer schnell zur Sache kommen, denn sie richten sich in der Regel an den flüchtigen Betrachter, dessen Aufmerksamkeit will man bekommen. Entsprechend auffällig, eingängig und wirkungsvoll muss die Botschaft sein, dann hat man eine Chance auf Wahrnehmung.
Wie entstand die Idee für das Plakat „Wenn Deutsche über Grenzen gehen?“
… eigentlich schon während des Briefing-Gespräches bei Ihnen. Irgend jemand - das war unsere Geschäftsführerin Frau Brenk (die Redaktion) - machte so eine Bemerkung, dass man sich beim Wandern ja schnell mal ein paar Blasen laufen kann. Nun sind aufgescheuerte Blasen an den Füßen nicht so attraktiv oder gar lustig, deshalb haben wir uns für übertrieben viele Pflaster entschieden. Außerdem ist das Pflaster auch eine wunderbare Metapher, steht für Schmerz und Verletzung, aber eben auch für Trost und dafür, dass alles wieder gut wird ...
Mit welchen Gestaltungsformen (Fotografie, Malerei, Typografie, etc.) haben Sie es umgesetzt?
Ein Mix aus alldem – der Hintergrund ist mit Acrylfarben gemalt und dann digitalisiert, die Fotos der Füße sind ebenfalls extrem übermalt, die Typografie ist am Rechner entstanden. Also ein klassisches Digital Composing.
Was denken Sie über die Kunstform Kabarett oder Satire im Allgemeinen?
Hat mich tatsächlich schon als Schüler interessiert – besonders Satiremagazine wie Pardon und später Titanic waren enorm wichtig, um mich durch die dunkle Zeit des Gymnasiums zu bringen und mir eine wichtige Erkenntnis zu verschaffen: Das Leben ist viel schöner, wenn man sich über Widrigkeiten oder unangenehme Zeitgenossen lustig macht, statt sich über sie zu ärgern. Im Kabarett kann ich dieses Erlebnis sogar mit anderen teilen, und durch die Möglichkeiten des Schauspiels und der Musik berührt es noch stärker als das gedruckte Wort. Dass das relevant für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ist, steht für mich ausser Frage. Die DISTEL gibt es jetzt seit fast 65 Jahren, das sagt doch alles.
Und hier noch zum Profil des Künstlers:
Michael Thiele hat als Illustrator das gesamte Spektrum an Kunden bedient, vom Global Player wie Microsoft, Sony oder Mercedes bis zur Punk- oder Grunge-Band mit Mini-Etat. Heute ist er Kopf und Kreativ-Stratege der Dortmunder Werbe- und Design-Artisten DIE TRANSFORMER. Seine Kunden sind die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten und würden jederzeit unter Eid bestätigen, dass man mit einer guten Idee die Welt aus den Angeln heben kann ...
© Eser Alper