08.08.2018

Das Debakel von Selfie – Erdoğan und die (ihm) Folgen

Folge 19

In Simbabwe wurde Diktator Mnangagwa wiedergewählt – damit die Wahl endgültig gültig ist, fehlt jetzt nur noch das Selfie mit Özil und Gündğan. Ihren Insta-Kumpel Erdoğan, den Eigentümer der Türkei, können die beiden schon im September in Deutschland wiedertreffen, dieser allerdings wird beim Staatsbesuch eher Merkel und Steinmeier zum Selfie bitten. Wo ist das islamistische Bilderverbot, wenn man es mal braucht?

Autor: TILMAN LUCKE

Dem armen Özil, dem in England lebenden Multimillionär (= Öziltourist), gingen die Augen über, als er plötzlich erfahren musste, dass Erdoğan ein Diktator ist, der mit einem Nationalspieler eines demokratischen Landes nicht viel gemein haben sollte. Die alte Schulhofweisheit: „Lass dich mit Leuten sehen, die hässlicher sind als du“ ist eben nicht immer klug. Kritik an dem Foto ließ Özil nicht gelten: Schmollen und Beleidigtsein ist bequemer. Nach dem Motto: Ich bin doch kritikfähig. Jeder wird bestätigen, dass ich selbst sehr gern kritisiere! Autoritär denkende Menschen haben ein Problem damit, hinterfragt und kritisiert zu werden. Passiert das doch mal, reagieren sie beleidigt, gar angegriffen. AfD-Provokationen laufen auch immer nach diesem Muster ab: Ich werde in meinen autoritären Gefühlen verletzt! Neuer deutscher Mi-mi-mismus.

Klar, wenn sich mit Oliver Bierhoff und Reinhard Grindel die ethisch-moralische Luxusklasse über Özils Haltung echauffiert, wirkt das, wie wenn ein Blinder über Farben spricht. Beide Funktionäre verfügen über ein reichhaltiges Potentaten-Paninialbum an Selfies mit Putin, dem Emir von Katar und anderen Irren, bei denen man froh sein kann, wenn das, was sie schießen, nur Selfies sind. Bierhoff verdient sich unter anderem als Lobbyist für Atomkraft eine Golden Nose; Reinhard Grindel war vor seinem DFB-Posten erst beim ZDF und dann bei der CDU. Muss man noch mehr sagen? In einem solch zwielichtigen Lebenslauf fehlt eigentlich nur noch ein Bahn-Vorstandsposten. Wann geht Pofalla in Rente?

Bevor nun für Özil gefordert wird, sich amtlich auf Deutschsein testen zu lassen (sogenannter KarTOEFL-Test), sei angemerkt: Kritik kann rassistisch sein, dann muss man sie ignorieren oder zurückweisen. Özils Hauptargument gegen Kritik an seinem Verhalten ist aber, dass gleichzeitig Rassisten mitkritisieren. Und damit hat er ein Zaubermittel gegen jede Kritik erfunden: Ein Kritisierter muss in Zukunft einfach nur dafür sorgen, dass auch einer von der AfD gegen ihn ist – und schon kann man jede Kritik als rassistisch abtun. Wann kritisiert eigentlich der erste AfDler die AfD? Dann hätten wir Demokraten direkt verloren.

 

Tilman Lucke ist zu sehen in: "frisch gepresst. Politcomedy-Late-Night" und in seinem Soloprogramm "Verdummungsverbot".