16.12.2021

No. 190

Gejammert und Geschwurbelt. 2G mal anders.

Endlich ist es soweit. Endlich darf man sich auch als ordentlicher Deutscher mal so richtig diskriminiert fühlen. 2G macht's möglich.

Autor: Martin Valenske

 

Endlich ist es soweit. Endlich darf man sich auch als ordentlicher Deutscher mal so richtig diskriminiert fühlen. 2G macht's möglich. Die beliebten Sympathieträger*innen aus dem Milieu der Leerdenker und Impfverweigerer beklagen gerade in vorweinerlicher Stimmung ihre Benachteiligung, denn zu ihrem Leidwesen steht 2G für »Geimpft und Genesen« und nicht für »Gejammert und Geschwurbelt«. Jetzt ist das Geschrei groß, weil sie nicht mehr ins Schwimmbad, auf den Weihnachtsmarkt oder in einige Geschäfte dürfen. Weil man ihnen in der kalten Jahreszeit nahelegt, lieber einen gut gefütterten Alu-Hut zu tragen. Und weil sich Dank 2G der Papi vor dem weihnachtlichen Puff-Besuch erst einmal selber stechen lassen muss. Das ist zu viel für die fragile Männlichkeit des durchschnittlichen Leerdenkers. Da geht er auf die Barrikaden und zwar zunehmend brutaler. Im Zuge der geplanten Impfpflicht erhielten Politiker*innen, Medien und Behörden jetzt Drohbriefe mitsamt rohen Fleischstücken, in denen ein blutiger und brutaler Widerstand gegen die geplanten Impfungen angekündigt wird. Im »Spiegel« konnte man diese Woche darüber lesen: »Die Schreiben enthielten demnach ein in Alufolie [was sonst?] eingewickeltes Stück Fleisch.« Die Wahl des Fleisches erlaubt natürlich Rückschlüsse auf die Täter*innen. War es edles Rindercarpaccio aus dem Bioladen? Dann sind die Verantwortlichen wohl eher gut situierte Esoteriker*innen aus dem Schwabenland. Oder handelte es sich um billigstes Schweinefleisch aus Massentierhaltung? Dann waren es wahrscheinlich Nazis auf Harz IV. Oder wie es jetzt heißt: Bürgergeld, bzw. in diesem Fall: Reichsbürgergeld.   

 

Am schlimmsten an der 2G-Regel ist aber sicherlich, dass es mit dem Friseurbesuch für Ungeimpfte jetzt auch schwierig wird. Und das so kurz vor Weihnachten! Auf lange Sicht hat das aber natürlich Vorteile: So können die vom Friseur Ausgeschlossenen in wenigen Wochen ihre wilde Mähne vor's Gesicht binden und als Maske tragen. Oder man findet halt doch noch einen Friseurladen, der auf die 2G-Regel pfeift, so wie der bei Rechten beliebte Friseursalon »Hairrenrasse«.

 

Aufgrund dieser Regelungen sehen sich Leerdenker*innen diskriminiert, verfolgt und stellen die abstrusesten Vergleiche an. Am schönsten ist dabei immer noch der Vergleich mit Juden und Jüdinnen im Dritten Reich. Um wirklich adäquat zu beschreiben, wie dumm das ist, reicht eine kurze Kolumne natürlich nicht aus. Nur so viel: Nicht geimpfte Personen sollen nicht physisch vernichtet werden wie damals Juden und Jüdinnen, sondern erhalten per Impfung quasi ein Upgrade. Das ist wohl das genaue Gegenteil der Handlungen der Nazis.

 

Daher für alle Leerdenker*innen noch mal zum Mitschreiben. Juden und Jüdinnen wurden damals umgebracht, sie wurden nicht mit drei Spritzen »Germanicum Forte« der Firma »ArierZeneca« geboostert und durften dann wieder ihrer Wege gehen. Wer diesen Unterschied nicht erkennt, der hat allerdings wirklich größere Probleme als Corona.

 


 
Martin Valenske ist zu sehen in: "Dauerstussverkauf" (Soloprogramm) und zusammen mit Henning Ruwe in "2022 - das kann heiter werden".