17.01.2022

No. 194

Von Kühen und armen Schweinen. Oder: Es Lebe Jeff Bezos

Autor: Martin Valenske

 

Heutzutage ist alles smart und vernetzt oder zumindest elektronisch. Wirklich alles! Wie diese Woche in der Presse zu lesen war, experimentieren Bauern und Bäuerinnen mittlerweile mit »Virtual-Reality-Brillen« für ihre Milchkühe. Damit wird der Kuh vorgegaukelt, sie stünde nicht mehr angebunden im engen Stall, sondern auf einer großen grünen Wiese. Dann gibt die mehr Milch! Dann ist die glücklich! Und da fragt man sich doch unweigerlich: Wäre das nicht auch was für Harz4-Empfänger*innen? Die Wohnung ist zu klein? Dann laden Sie sich einfach einen Palast herunter. Oder wenn Sie den Partner nicht mehr attraktiv finden, dann setzen Sie einfach die rosarote VR-Brille auf, schon sieht der aus wie George Clooney. Dann sind Sie unglaublich glücklich … wie eine angebundene Milchkuh. 

 

Die Idee zu diesen Brillen stammt übrigens von russischen Tierärzt*innen, deren Untersuchungen zeigen konnten, dass Kühe dank dieser Brillen weniger ängstlich sind und friedlicher werden. Gibt es so eine Brille vielleicht auch für Putin? Dann kann sich der kleine Sack einbilden, er wäre so groß wie ein Erwachsener und hätte die Ukraine schon eingenommen. Da wären wir auch alle auf einen Schlag friedlicher und hätten weniger Angst. 

 

Überhaupt versprechen sich Fachleute vom Einsatz dieser Brillen beim Menschen große Vorteile. Schließlich kann man sich damit in andere Lebewesen bzw. andere Menschen hineinversetzen, das soll die Empathie befördern. Und das ist doch eine gute Idee. Da gehen Sie in den Supermarkt und bevor Sie zur Wurst oder zum Steak greifen, bekommen Sie eine VR-Brille aufgesetzt und dürfen sich zehn Minuten, nur zehn Minuten, so fühlen wie ein Schwein oder ein Rind in der Massentierhaltung. Statt »Man ist, was man isst«, heißt es dann: »Man isst, was man ist.«

 

Noch leichter erlernt man Empathie, wenn man VR-Brillen mit spielerischen Elementen kombiniert. Stellen Sie sich vor: Sie wollen etwas auf Amazon kaufen. Dann kriegen Sie so eine Brille auf und müssen innerhalb von 30 Sekunden 1000 Meter durchs Lager rennen, das gewünschte Produkt suchen, finden, aus dem Regal nehmen, einpacken, beschriften, abschicken, das Finanzamt bescheißen, den Betriebsrat verprügeln und zehn Mal rufen: Es lebe Jeff Bezos. Und wenn Sie das nicht schaffen, müssen Sie das Produkt halt zu dem Preis kaufen, den es im Einzelhandel kostet.

 


 
Martin Valenske ist zu sehen in: "Dauerstussverkauf" (Soloprogramm) und zusammen mit Henning Ruwe in "2022 - das kann heiter werden".