26.09.2022

No. 229

Der Geigerzähler kriegt Mautausschlag


Der mediokre Mautmogul, der Gigant der Geldverbrennung, der Vermassolini der Verkehrspolitik meldet sich endlich wieder zu Wort: Andreas Scheuer will neue AKWs bauen.

Die Zugtickets werden wieder teurer, die Züge bleiben das gallische Dorf der Maskenpflicht – und die Autofahrer veranstalten ihr Tempolimit inzwischen selber, weil der Sprit so teuer ist: Es gibt viele gute Gründe, sich über Verkehrsminister Wissing zu ärgern. Aber es gibt einen noch besseren Grund, es nicht zu tun: Er ist nicht Andreas Scheuer.

Der Gigant der Geldverbrennung, der Schogun des Scheiterns, der Verkachiavelli des Voralpenlandes, der vermessenste Vermassolini der Verkehrsgeschichte war zuletzt aufgefallen, als er in einer Disco in Waldkirchen vor einem Pulk von Speichelleckern und JU-Schnöseln den DJ mimte und brüllte: „Keine Politik heute, keine Reden! I hab' a paar Freunde mitgebracht – und jetzt: Partyyy!" (Falls Sie von der JU sind: Nein, das ist wirklich keine Politik.)

Nun hat sich Andreas Scheuer nach fast einem Jahr Funkloch wieder zu Wort gemeldet und enttäuscht uns nicht: Er fordert den Bau neuer Atomkraftwerke in Deutschland. „Meine Formel lautet ‚drei plus drei plus drei': Drei Kernkraftwerke müssen länger laufen, drei müssen reaktiviert werden, und drei müssen neu gebaut werden", so der Adam Scheinriese der CSU. (Nebenbei: Die Formel für Scheuers IQ lautet: Null hoch null mal wieder nix – und keins im Sinn. Und davon die Mautgebühren abziehen.)

Die zusätzlichen Kraftwerke würden in dreißig Jahren genug Strom liefern, um heute an der Strombörse mit einem Termingeschäft unermesslich reich zu werden. Für die aktuell eher leeren Steckdosen bringt der Vorschlag hingegen wenig. Auch ein Blick ins Ausland ernüchtert: In Frankreich sind derzeit 27 von 56 AKWs nicht am Netz, weil die Flüsse noch immer zu wenig Kühlwasser führen. Und das, obwohl die Grenzwerte für die Temperatur des eingeleiteten Wassers netterweise hochgesetzt wurden. Und in der Ukraine wird gerade ein Kernkraftwerk beschossen – oder wie Putin es nennt: Streckbetrieb. Indes geht im Innern des Kraftwerks der Strom aus, was zum GAU führen könnte. Ein laufendes AKW, das keinen Strom hat – man könnte meinen, Andreas Scheuer arbeitet bereits als Schichtleiter in Saporischschja.

Der mediokre Mautmogul beweist mit seinem Vorschlag politische Weitsicht – weit zurück in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Sein Motto: Wenn wir AKWs erneuern, sind sie doch erneuerbar!

Widerspruch nützt nichts, denn fleißig, wie er ist, hat er bereits verbindliche Verträge geschlossen – für zwanzig neue Atomkraftwerke. Mit Eventim. Und wenn es mal knapp wird, ist Andi Fukuscheuer verstrahlt genug, um persönlich als Brennstab einzuspringen. Und als Kühlwasser genügt eine Maß Weißbier pro Kilowattstunde. Wir wären ihn los! Man nennt das „sozialverträgliches Frühendlagern" – dann muss er nicht nach Brüssel. Win-win-win.

Apropos: Pro-Atom-Politik ist vermutlich das einzige Politikfeld, das unbeschränkt mit EU-Recht vereinbar wäre, entstand die EU doch einst unter anderem aus EURATOM.
Den Super-GAU könnte die Wunderwaffe Scheuer auch gleich selbst anmoderieren: „Und jetzt: Partyyy!" Da helfen nur noch Id-Jod-Tabletten. Und der Vergeigerzähler kriegt Mautausschlag.

 


Tilman Lucke ist zu sehen in: "frisch gepresst. Satirischer Monatsrückblick" und in seinen Soloprogrammen "Entweder – UND!" und "Lucking zurück".