21.02.2020

No. 92

Irre sind menschlich – der Halbjahresrückblick

Teil 2: Japan krönt, Duterte schönt, Altmaier stöhnt

Trump feiert fast ein Jubiläum mit dem Taliban-Chef, AfD und CDU gehen in Frankenstein fast zusammen, und AKK macht fast einen guten Vorschlag. Teil 2 des irren Halbjahresrückblicks #2019.

Autor: Tilman Lucke

 

 

1. September: Zum ersten Mal wird die AfD in einem Landtag wiedergewählt. Der flächendeckende Siegeszug der Partei hatte sechs Jahre gedauert: Mühsam ernährt sich das Eichmännchen! In Sachsen bleibt die Partei allerdings trotz ihrer 27,5 Prozent unter ihren Möglichkeiten: Wer die Demokratie abschaffen will, muss folgerichtig auch die innerparteiliche Demokratie missachten. Die so zustande gekommene Landesliste wird von der Landeswahlleiterin nur zur Hälfte anerkannt, sodass die Partei bei der Wahl einen Sitz weniger besetzen kann, als ihr zustehen würde. Der fehlende Abgeordnete fällt in der Fraktionsarbeit gar nicht auf. Parlamentarisch leidet die Partei unter Abnutzungserscheinungen: Am Tag ihres Wahltriumphs in Sachsen zerbricht die AfD-Fraktion in Bremen, und die Partei verliert ihren 50. Abgeordneten. „Zehn kleine Negerlein“ sind nichts dagegen! Ausgeschlossen oder ausgetreten, zu weit rechts oder nicht rechts genug: Alles ist möglich, man kann es der Partei einfach nicht rechts machen. Wenn die Karriere innerhalb der AfD beendet sein sollte, wäre das nicht schlimm, denn wer einen zweifelhaften Charakter hat und einen Völkermord leugnet, kann heutzutage immer noch einen Literaturnobelpreis erhalten.

5. September: Zum ersten Mal bilden CDU und AfD in einem deutschen Gemeinderat eine gemeinsame Fraktion. Es handelt sich um ein kleines Dorf in Rheinland-Pfalz, dessen Namen man sich nicht besser ausdenken könnte: Frankenstein. Die neue Fraktion besteht lediglich aus einem Ehepaar: sie CDU, er AfD. Da die CDU die Ehe für alle ablehnt, schließt sie ihre Mandatsträgerin am 22. Oktober aus.

8. September: Im Klagenfurter Wörtherseestadion wird eine Baumausstellung eröffnet. Zum ersten Mal seit Mesut Özil bei der Fußball-WM schlägt wieder etwas in einem Fußballstadion Wurzeln.

10. September: In Kolumbien entführt sich der Bürgermeisterkandidat Óscar Lombana selbst, um sich im Wahlkampf interessanter zu machen. Ein ähnliches Konzept fährt Angela Merkel seit Ende 2018, allerdings ohne dass sie bisher vermisst worden wäre.

11. September: Ein Treffen zwischen Donald Trump und dem Taliban-Chef in Camp David kommt leider nicht zustande. Die Feierlichkeiten zum 11. September müssen ohne den Taliban-Führer auskommen. Hätte das Treffen stattgefunden, wäre das Foto gewiss um die Welt gegangen: auf der einen Seite der gefährliche Irre, der Amerika zerstören will, schlecht Englisch spricht und eine absurde Kopfbedeckung trägt – und auf der anderen Seite der Taliban-Chef.

9. Oktober: Der Attentäter von Halle an der Saale entpuppt sich als Plagiator: Ein Antisemit aus Eisleben, der die Tür eines Gotteshauses in Sachsen-Anhalt beschädigt – wäre er 500 Jahre früher dran gewesen, hätte er sogar seinen eigenen Feiertag bekommen.

18. Oktober: Eine Inselzählung auf den Philippinen ergibt: Statt 7641 Inseln, wie bisher in allen Nachschlagewerken verzeichnet, besitzt das Land lediglich 7107 Inseln. Der Plural des Landesnamens ist also zwar nicht gefährdet, doch woher der Schwund kommt, ist nicht bekannt. Präsident und Inselbegabung Rodrigo Duterte hätte wohl statt „Erschießungen“ besser „Erschließungen“ angekündigt. Ein schlimmer Verdacht kommt auf: Möglicherweise wäre der Zweite Weltkrieg in Südostasien schneller vorbei gewesen, wenn die nun fehlenden 500 Inseln einfach nicht am Inselhopping teilgenommen hätten.

22. Oktober: In Japan wird Kaiser Naruhito gekrönt. Der Jungspund besteigt mit 59 Jahren den Thron. Prinz Charles gefällt das! In Japan ist der Kaiser nicht nur Staats-, sondern auch Religionsoberhaupt; Naruhitos Großvater und Vorvorgänger Hirohito war sogar zugleich Gott. Diesen Status hatte er aber 1946 abgegeben. „Ab jetzt bin ich kein Gott mehr“ – so etwas würde Donald Trump nie sagen! Hirohito war im Zweiten Weltkrieg verantwortlich für etwa dreißig Millionen Tote – für so etwas wird der göttliche Status natürlich aberkannt. Die anderen Götter hatten ihn für so wenig Tote einfach ausgelacht.

28. Oktober: Wenige Tage, nachdem Verteidigungsministerin AKK eine Truppenverlegung nach Syrien gefordert hatte, ereignet sich stattdessen eine Treppenverlegung in Dortmund: Ihr Co-Saarländer Peter Altmaier stürzt von der Bühne, die Stadt Dortmund kommt mit einer Richterskala von 7,8 ins Krankenhaus. Für Deutschland ist der Vorfall symptomatisch: Der Wirtschaftsminister stürzt ab – auf einem Digitalgipfel. Inzwischen wurde er wieder hochgefahren. Dank Altmaier gilt glücklicherweise die 1000-Meter-Abstandsregel, weshalb außer ihm niemand verletzt wurde.

31. Oktober: Der Brexit verstreicht zum vierten Mal. Der 31. Oktober bleibt auch 2020 ein beliebtes Datum für Fake News, wurde er doch zum vorläufig endgültigen BER-Eröffnungsdatum erkoren. Beide Großprojekte haben durchaus einiges gemeinsam: Hätte es noch drei weitere Verschiebungen des Brexits gegeben, wäre er das einzige historische Ereignis, das noch seltener stattgefunden hätte als die Flughafeneröffnung. Die Tories twitterten aber nach der Parlamentsauflösung im Wahlkampf: „Get BERxit done – make no mistake!“ Was indes als einziges nicht verschoben wurde, ist der Rücktritt des Speakers John Bercow. Der wird demnächst in Aachen ausgezeichnet: zwar nicht mit dem Karlspreis, dafür mit dem Order wider den tierischen Ernst. Der Orderline-Patient zieht sich am 31. Oktober aus der Politik zurück und lebt fortan auf einer normalen und ruhigen Nordseeinsel. Auf Spiekeroog.

 

 


Tilman Lucke ist zu sehen in: "frisch gepresst. Politcomedy-Late-Night" und in seinen Soloprogrammen  "Verdummungsverbot" und "Lucking zurück".